Auf dem Bild sieht man einen Ausschnitt aus der aktuellen Ausstellung.

Tod einer Power-Frau – Mörderische „True Crime“-Geschichten im Stadtmuseum

Die apokalyptischen Reiter sind eine einzige Anklage! Es ist der wütende Aufschrei eines Bruders zum Tod seiner geliebten Schwester. Es geht um den Fall der Postmeisterin Katharina Henot. Die Kölner Power-Frau wird am 19. Mai 1627 auf Melaten bestialisch umgebracht und verbrannt. Und das nur, weil sie ihr Recht auf Verteidigung und Unschuld eingefordert hatte. Das Gemälde im Stadtmuseum und der Tod der sogenannten „Hexe von Köln“ ist für Direktor Matthias Hamann der bewegendste Fall im neuen Buch „Tatort Köln“.

Text: Michael Bischoff

Diese jüngste Veröffentlichung aus dem Kölner Greven Verlag hat den Untertitel „True Crime 1074 bis 1894“. „Spiegel“-Korrespondent Georg Bönisch verarbeitet darin 16 menschliche Schicksale zu packenden kriminalistischen Kurzstorys. Das mörderische Kaleidoskop reicht durch acht Jahrhunderte von kaltblütigen Morden bis zu Fälschern und Betrügern. Es reicht vom Aufstand gegen Erzbischof Anno II. bis zum ersten Klüngelprozess im Jahre 1894.

Zu vielen dieser Vorfälle hat das Stadtmuseum Objekte, die an diese „True Crimes“ erinnern. Es sind berühmte Geschichten, die längst Geschichte geschrieben haben. Traurige Gesichte. Der Fall von Katharina Henot ist wohl der spektakulärste. „Er berührt so intensiv, weil Katharina eine starke selbstbewusste Frau ihrer Zeit ist. Sie ist eine erfolgreiche Kaufmannsfrau,“ so Matthias Hamann. „Und sie will sich gegen Verleumdungen wehren. Das ist ihr gutes Recht.“

Kampf um die Post

Doch ihr mutiger Weg führt in die Katastrophe. Katharina als heimliche Chefin der Postmeisterei und ihr Bruder Hartger haben zuvor einen schweren Fehler gemacht. Als ihr Vater mit 94 Jahren stirbt, verheimlichen sie seinen Tod und fälschen sogar dessen Unterschrift. So wollten sie verhindern, dass ihr größter Konkurrent, die Taxis, erneut die Kölner Postmeisterei geschäftlich und politisch übernehmen kann.

Das hatte der bayerische Postmonopolist einige Jahre zuvor schon einmal geschafft, und die Kölner Henots wehrten sich dagegen zwei lange Jahrzehnte. Mit Erfolg! Kaiser Ferdinand II. gab schließlich dem Alten, also Jakob Henot, das Amt zurück – und damit ein höchst lukratives Geschäft.

Weg in den Abgrund

Und dann folgt dieser dämliche Betrug der Kinder, die das Erbe wie einst versprochen antreten wollen. Hartger und Katharina müssen beim Reichskammergericht auf ihr Erbe klagen. Während der Jesuit nur nach außen als Mann an der Seite seiner Schwester steht, soll und will sie als Geschäftsfrau den Betrieb (weiter-) führen. Eine Frau als erfolgreiche Geschäftsfrau? Ganz offiziell? Also nicht nur „verdeckt“ wie alle Jahre zuvor neben ihrem Vater im Hintergrund. Kein Wunder, dass die Richter ablehnen. Es ist eine bittere Niederlage mit Ansage…

Und das nutzen Konkurrenten und Neider sofort aus. In der Stadt brodeln „plötzlich“ gefährliche Gerüchte. Henot sei eine Hexe, heißt es. Angebliche Zeuginnen sind von der Obrigkeit schnell gefunden. Die bösartige Verleumdungs-Kampagne folgt einer grausamen Logik in einer männerdominierten Zeit, erfolgreiche Frauen aus Geschäft und Welt zu jagen. Katharina hat keine Chance im gigantischen Intrigen- und Fake-News-Spiel ihrer Zeit.

Sie will sich verteidigen, droht gegen die Verleumdungen sogar Klage einzureichen und spielt damit ihren erbitterten Gegnern noch mehr in die Hände. Was ist das für eine Frau, die auch noch Recht haben will? Damals undenkbar! Das Recht wird dann auch sofort weitergebrochen. Weil sie im kirchlichen Stift Andreas bei ihrem Bruder wohnt und dort nicht festgenommen werden darf, lockt man sie mit einem Trick hinaus – und wirft sie sofort in den Frankenturm.

Gemälde von Hartger Henot und die Apokalyptischen Reiter
Hartger Henot und die Apokalyptischen Reiter, Köln 1637, Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds, Foto: RBA

Rechtsbeugung, Folter und Tod

Dort wird sie brutal gefoltert. Noch öfter und brutaler, als offiziell „erlaubt“. Dabei steht die Schuld der Frauen bei damaligen Hexenprozessen ohnehin stets vorher fest. In Köln finden von 1500 bis 1655 belegbare 73 sogenannte „Prozesse“ statt, dabei werden 24 „Hexen“ hingerichtet. Auch dieses Mal soll es so sein: Am 19. Mai 1627 muss Katharina auf Melaten sterben. Der Scharfrichter erspart ihr den qualvollen Tod in den Flammen, indem er ihr kurz vorher eine Schlinge um den Hals legt und fest zuzieht.

Der Fall sorgt für großes Aufsehen. Bruder Hartger Henot glaubt an die Unschuld seiner Schwester und will sie beweisen. Er beabsichtigt sogar die Prozessakten drucken lassen, damit alle von der Willkür und Ungerechtigkeit erfahren. Doch er darf es nicht.

Noch können die politischen und kirchlichen Machthaber die Umstände zum gewaltsamen Tod „unter der Decke halten“. Doch in den nachfolgenden Jahren gerät die Folterpraxis der Obrigkeit schwer in die Kritik. Dafür sorgt unter anderem der Jesuit und Kämpfer Friedrich Spee von Langenfeld mit seiner damals Aufsehen erregenden Schrift „Cautio Criminalis“, in der er juristisch und menschlich gegen die Praxis der Hexenprozesse argumentierte.

Zwischen Fahne und Totenbüste

Gerechtigkeit und Freiheit für alle. Diese Forderung war die treibende Kraft für die Revolution 1848 in Köln. Die dramatischen Umstände gehören auch zu den historischen True Crimes der Kölner Geschichte. Sie führen beinahe zu einem Blutbad.

Die Kurzstory zu dieser Revolution nach kölscher Art ist im Buch ebenso packend wie unser Museums-Podcast, in dem Historiker Mario Kramp der Journalistin Birgitt Schippers die aufregenden Erlebnisse von damals schon einmal zusammengefasst hat (Folge #1: 1848! Revolution in Köln).

Im Stadtmuseum dokumentiert die berühmte rote Fahne mit der Aufschrift „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit! Demokratische Gesellschaft in Köln. Gestiftet am 25. April 1848“ diese revolutionären Zeiten. Das wertvolle Tuch hat übrigens alle Wirren und Kriege der Zeit überraschend gut überstanden und ist heute ein wertvolles Schmuckstück in der neuen Dauerausstellung.

In der Kölner Geschichte sind aber auch viele weitere spannende Fragen verborgen wie zum Beispiel: Warum wurde 1686 der bürgerliche Weinhändler Nikolaus Gülich und sechsfache Familienvater zu einem wütenden Rebellen? Was hat ihn so aufgeregt? Und warum sehen wir im Stadtmuseum von ihm nur noch die Nachbildung einer Büste seines abgeschlagenen Kopfes? Nun,der Mann wurde enthauptet.

Die aufregenden Hintergründe findet ihr in der Dauerausstellung im Bereich „Was macht uns wütend?“.

Statue eines männlichen Kopfes aus Metall.
Haupt der Gülich-Schandsäule, Maximilian von Kreps, Köln 1677, Foto: RBA