Zu sehen sind jüdische Glaubensgegenstände in einem Schaukasten. Die Hintergrundfarbe ist lila.

Kölle, du bes e Jeföhl: Woran glauben wir?

Der Glaube versetzt Berge! Dieses alte Sprichwort trifft für Köln mitten ins Herz. Denn die Menschen hier haben immer intensiv an ihre Stadt und die Kirche geglaubt. Für ihren Glauben bauen sie eindrucksvolle Kirchengebäude, Meisterwerke der Superlative. Doch die Kölner*innen glauben an noch viel mehr: An Geld, Macht und natürlich an ihre Vereine. Ob Fußball oder Eishockey. Der Glaube an die Meisterschaft bleibt unerschütterlich – in welcher Liga auch immer. Mehr dazu erfahrt ihr ab dem 23. März 2024 in unserer neuen Dauerausstellung!

Der Glaube versetzt Berge! Dieses alte Sprichwort trifft für Köln mitten ins Herz. Denn die Menschen hier haben immer intensiv an ihre Stadt und die Kirche geglaubt.

Für ihren Glauben bauen sie eindrucksvolle Kirchengebäude, Meisterwerke der Superlative. Doch die Kölner*innen glauben an noch viel mehr: An Geld, Macht und natürlich an ihre Vereine. Ob Fußball oder Eishockey. Der Glaube an die Meisterschaft bleibt unerschütterlich – in welcher Liga auch immer.

Mehr dazu erfahrt ihr ab dem 23. März 2024 in unserer neuen Dauerausstellung!

Köln ist eine ursprünglich katholisch geprägte Stadt. Nicht umsonst wird sie im Mittelalter auch das „hillije Kölle“ genannt. Kein Wunder! Der erste Blick auf die Stadt mit ihren Mauern, Häusern und Kirchenbauten aus Stein muss für alle Reisenden ein imposanter Eindruck gewesen sein. Sie sehen inmitten ländlicher Idylle plötzlich eine Skyline voller Kirchtürme.

Mittendrin thront der noch lange unfertige Dom. Drumherum ragen zwölf majestätische Gotteshäuser in den Himmel. Die romanischen Kirchen sind seit ihrem Bestehen magische Anziehungspunkte der Christenwelt und jede für sich ein architektonisches Kleinod. Umgeben sind sie von gefühlt Hunderten kleinerer Gotteshäuser und Klöster. Der Gott der Kölner*innen „spricht“ damals allerdings nur römisch-katholisch.

Was auch sonst? Obwohl die Bürger*innen mit ihren machtvollen und herrschsüchtigen Erzbischöfen immer wieder hadern, glauben siean die vielen Legenden und Heiligengeschichten ihrer Kirche. Die dramatische Legende der Heiligen Ursula und ihren 11.000 Jungfrauen schafft es sogar mit 11 Flammen symbolisch ins Kölner Stadtwappen. Und der Glaube an die Macht der Gebeine der Heiligen Drei Könige ist so groß, dass der größtmögliche Showroom für sie gebaut wird – der Kölner Dom.

Ein Gemälde des Kölner Doms.
Kölner Dom in antizipierter Vollendung, C. G. Hasenpflug (Köln 1834/36, KSM, Foto: RBA)

KATHOLIKEN VERLIEREN MACHT

Die Katholiken (be)herrschen die Stadt. So haben es die ersten Protestanten ab dem 16. Jahrhundert in Köln nicht einfach. Anfangs dürfen sie hier ihren Glauben nicht innerhalb der Stadtmauern ausleben und werden sogar als „Abtrünnige“ heftig bekämpft.

Nach vielen kleineren Glaubens-„Querelen“ folgt im 19. Jahrhundert mit der französischen Besatzung das erste richtige Desaster für die katholischen Macht. Die Franzosen enteignen viele Kirchen sowie Klöster und schränken die Machtbefugnisse der bisherigen Kirchenfürsten mächtig ein. Auch wenn die Kirche an Einfluss verliert und Soldaten den noch unfertigen Dom als Pferdestall „missbrauchen“, der Glaube der meisten Menschen an Gott bleibt ungebrochen.

Ein alter Grabstein mit jüdischer Inschrift.
Grabstein der Rachel, Köln 1323. 1953 wird er bei Grabungen im Rathaus-Bezirk gefunden (KSM, Foto: RBA)

JÜDISCHE GEMEINDE MITTENDRIN

Mitten in dieser so christlich geprägten Stadt kann im Jahr 321 eine jüdische Gemeinde entstehen, sich durchsetzen und (vorerst) überleben. Was für eine Kraft: Die jüdische Gemeinde ist nachweislich die älteste in Deutschland. Der jüdische Glaube wird in Köln geduldet und über viele Jahrzehnte friedlich gelebt.

Doch das friedliche Miteinander fällt auch in Köln judenfeindlichen Verschwörungserzählungen zum Opfer, die immer wieder zu Gewaltaktionen gegen die jüdischen Bürger*innen führen. Nach zahlreichen Pogromen folgt 1423 sogar die Ausweisung der Gemeinde aus Köln.

Nach 1798 darf die jüdische Gemeinde wieder innerhalb der Stadt ihren Glauben leben. Diese neue Blüte des toleranten und friedlichen religiösen Miteinanders endet erst wieder mit dem Nazi-Regime im vergangenen Jahrhundert. Die meisten jüdischen Mitbewohner*innen werden vertrieben, verschleppt und ermordet. Ein Menschheitsverbrechen, das bis in die heutige Zeit für schreckliche Folgen sorgt.

POLITISCHER „ERSATZGOTT“

An Stelle „himmlischer Götter“ tritt damals vor fast 100 Jahren ein sehr irdischer „Ersatzgott“ mit demagogischen Kräften. Die NS-Ideologie setzt den Führerkult an die Stelle des Glaubens. Die staatliche Manipulation reicht weit in die Familien hinein. Das beweisen nicht zuletzt private Foto-Alben, die z.B. den Hitler-Besuch 1938 säuberlich dokumentieren.

Ein altes Fotobuch. Auf derm vergilbten Papier sind auf der rechten Seite zwei kleinere Bilder zu sehen, auf der linken Seite ein großes Bild.
Das Fotoalbum mit der Dokumentation des Hitler-Besuchs zeigt die erfolgreiche Manipulation durch die NS-Ideologie. Hitler wird hier als „Schöpfer Großdeutschlands“ bezeichnet (Familien-Album, Köln 1937/38, NS-Dokumentationszentrum Köln, Foto: RBA)

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehren viele überlebende Jüd*innen zurück nach Köln. Im Jahr 1945 findet hier erstmals wieder ein jüdischer Gottesdienst statt, und 1959 eröffnet die Synagoge in der Roonstraße. Es wächst ein neues friedliches Miteinander. Die Gründung des Jüdischen Museums MiQua gibt der jüdischen Geschichte in Köln wieder einen festen Ort. Und das genau oberhalb der mittelalterlichen Ruinen und Fundamenten ihrer alten Familienhäuser gleich neben dem historischen Rathaus.

MUSLIME IN KÖLN

Mit dem Wirtschaftsboom in den 1960er-Jahren kommen verstärkt Menschen nicht-christlichen Glaubens nach Köln – aus der Türkei und anderen Ländern der Welt. Heute leben rund 120.000 Muslim*innen in der Stadt. So entstehen nach und nach bis heute 45 Moscheen. Viele liegen unscheinbar „versteckt“ in Hinterhöfen.

Ein Gebetsteppich in rötlichen Farben.
Gebetsteppich einer Kölner Muslimin. Die auf dem Teppich abgebildete Gebetsnische wird Richtung Mekka ausgerichtet (Türkei um 1990, Foto: RBA)

Die erste Moschee wird von den Muslim*innen in einem Hof an der Kyffhäuserstraße am Barbarossaplatz gegründet. Namensgeber ist ausgerechnet Kaiser Friedrich Barbarossa, der 1189 gegen ihre Vorfahren den Dritten Feldzug führt.

Im Jahr 2016 wird die Barbarossa-Moschee geschlossen. Zwei Jahre später folgt die Eröffnung der prächtigen neuen Zentralmoschee in Ehrenfeld. Ihr Bau und Betrieb sorgen immer wieder für heftige politische Debatten.

Derweil kehren immer mehr Christ*innen ihren Kirchen den Rücken zu. Mittlerweile haben sie die Mehrheit in Köln längst verloren.

Ende 2019 zählt die Stadt 32,8 Prozent der Einwohner*innen als römisch-katholisch und 14,4 Prozent als protestantisch. Die Mehrheit von 52 Prozent hängt einem anderen Glauben an oder bezeichnet sich als atheistisch.

Eine Fußballkutte mit Aufnähern des 1. FC Kölns.
Echte Fans pilgern jede Woche ins Stadion, singen Fanchoräle und bezeichnen den Platz als „Heiligen Rasen“ („Fan-Kutte“ des 1. FC Köln mit Aufnähern, Köln um 2010, Privatbesitz

SPORT UND GELD

Was die meisten Kölner*innen ungeachtet ihres religiösen Glaubens eint, ist der Sport: Mit Viktoria Köln, SC Fortuna Köln und dem 1. FC Köln lockt neben den vielen Veedels-Vereinen ein sportliches Fußball-Top-Trio in die Stadien der Stadt.

Für die Fanclubs haben die „Götter auf dem Rasen“ einen religiösen Kultstatus, den sie leider zwischendurch auch mit körperlicher Gewalt durchzusetzen versuchen. Der Sport als „Ersatzreligion“ mit Fan-Chorälen und „Kutten“ ist aus den Stadien nicht mehr wegzudenken, und das gilt nicht nur für den rollenden Ball.

Mit dem Sport wollen große Vereine heutzutage vor allem auch Geld verdienen. Viel Geld. Der Sport ist so auch zur „Gelddruckmaschine“, zur Unterhaltungsware, geworden. Ein neuer Trend mit historischen Wurzeln.

Denn wer Geld hat, hat oft die Macht. Anders gesagt, auch in Köln glauben die Menschen an die Macht des Geldes. Schon im Mittelalter besitzt derjenige die Macht, der Münzen prägen darf. Das ist im Mittelalter zunächst der Erzbischof. Ab 1871 bringt der Staat das Geld in Umlauf.

Und woran glauben die Kölner*innen sonst noch? Vor allem an sich selber. Ihre Kraft des gemeinsamen Singens hat mittlerweile sogar die großen Arenen erreicht. Was früher inbrünstige Gottesdienste schafften, erreichen heute Zehntausende von Kehlen mit Kölner Liedern, die tief aus den Seelen kommen.

Verantwortlich dafür sind unzählige Kölner Bands, Komponisten und Solisten. Und die greifen ironischerweise auch immer wieder christliche Motive auf, deren Akzeptanz bei den gigantischen Kirchenaustrittszahlen niemand für möglich halten würde. Doch das ist Köln. Ein schöner Beweis, bei dem alle mitsingen, ist ein „Glaubensbekenntnis“ der Band „Höhner“:

Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin
so`n kleiner Teufel steckt doch in jedem drin
Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin-
das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin!“

Band Höhner

Autor: Michael Bischoff