
Vis-à-Vis: Das älteste Kölner Automobil wird restauriert
Das filigrane Fahrzeug, bei dem sich die Insassen gegenübersitzen (daher der ungewöhnliche Name) konnte mit seinen sechs PS bis zu 25 km/h schnell fahren und legte damals eine vergleichsweise weite Strecke zurück: Von der Kölner Motorwagenfabrik GmbH in Sülz aus gelangte das Automobil zu einer Familie in Süddeutschland und von dort über ein Auktionshaus zurück nach Köln. Bevor dieser Schatz der Kölner Automobilgeschichte in unsere zukünftige Dauerausstellung eingebracht wird, wird er aufwändig restauriert.
Kugel um Kugel und Zahn um Zahn
Fahren können soll der Vis-à-Vis nicht mehr, aber so aussehen wie einst. Der Mann, der dafür seit November 2021 langjährige Erfahrung, Fingerspitzengefühl, ein geschultes Auge und allerlei Werkzeug einsetzt, ist Philip Mandrys, Restaurator und Alumnus der TH Köln. Auch für einen Fachmann wie ihn ist diese Restaurierung eine besondere Herausforderung: Denn es gibt keinen Bauplan mehr, nach dem er sich richten kann. Vielmehr stützt sich Mandrys auf erhaltene historische Fotografien sowie im Vorfeld durchgeführte naturwissenschaftliche Untersuchungen und Recherchen.
In den vergangenen Wochen hat Mandrys den hölzernen Aufbau des Oldtimers abgebaut und (wohl erstmals seit der Fertigstellung) Fahrwerk und -antrieb wieder sichtbar gemacht. Danach mussten die Verschmutzungen der einzelnen Baugruppen und alte Betriebs- und Schmierstoffe entfernt werden. Mit Benzin, Borstenpinseln, Holzstäbchen, feiner Metallwolle und sogar einer handelsüblichen Zahnbürste hat der Restaurator jedes Teil, jede Kugel der Kugellager und jede Vertiefung in den Zahnrädern gereinigt. 200 Stunden brauchte der Restaurator anschließend dafür, die oberste Schicht von allen lackierten Bauteilen abzunehmen. Unter Einsatz von Mullbinden, handelsüblichem Aceton und Wattestäbchen arbeitete er sich von den Rädern über das Fahrwerk mit Antrieb und Motor über die Kotflügel bis hin zur Lenkung. „Das Ergebnis ist wirklich eindrucksvoll!“, freut sich der Restaurator.
Unser Förderverein „Freunde des Kölnischen Stadtmuseums“ unterstützt das umfangreiche Vorhaben wegen der besonderen Bedeutung des Vis-à-Vis: Wer ebenfalls dazu beitragen möchte, dieses herausragende Objekt der Kölner Stadtgeschichte zu erhalten, findet weitere Informationen hier: ww.freunde-ksm.de
Köln als Automobil-Standort
Die große Bedeutung, die Köln als Standort für die Automobilgeschichte hat, ist heute vielen gar nicht mehr bewusst. Und dies nicht nur wegen dem Vis-a-Vis: Die 1864 gegründete Gasmotoren-Fabrik Deutz (heute Deutz AG) zum Beispiel ist die erste Motorenfabrik der Welt. Hier wurde durch Nikolaus August Otto und Eugen Langen der Viertaktmotor mit drei PS Leistung entwickelt. Die Wagenbauerei Bernhard Scheele konzipierte 1898 das erste Elektroautomobil Deutschlands. Die Firma Ernst Heinrich Geist Elektrizitäts AG fertigte 1904 das sogenannte Dynamobil – in seiner Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor ein früher Vertreter des Hybridfahrzeuges. Und die ersten deutschen Tankkioske entstanden 1922 in Köln und Hannover durch die Firma Olex.
Text: Kirsten Lennart