
Ein reformierter Zuckerbaron
Der Weingroßhändler Johann Jakob Herstatt gründete als Erster in Köln eine Zuckerrübenfabrik. Die von den Franzosen eingeführte Gewerbefreiheit hatte es möglich gemacht, dass er als Reformierter eine Zuckersiederei eröffnen konnte. Napoleons Kontinentalsperre machte die Zuckerproduktion aus Rüben profitabel.

Johann Jakob Herstatt wurde 1743 als Sohn von Isaak Herstatt und Gertrud Lomberg in Köln geboren. Die Herstatts waren Hugenotten aus dem nordfranzösischen Valenciennes, die im 18. Jahrhundert nach Köln gekommen waren. Sie gehörten bald zu den führenden Kölner Textilverlegern. Nach dem Tod der Eltern unterhielt Johann Jakob mit seinem älteren Bruder Johann David eine Seiden- und Florettbandfabrikation, in der 30 Posamentiermeister mit über 200 Webstühlen beschäftigt waren. Als Protestanten war ihnen die Ausübung eines zünftischen Handwerks ebenso verboten wie der Erwerb von Grundbesitz. Wegen der restriktiven Zunftordnung, die jedes manufakturartige Unternehmen verbot, schrumpfte das Seidenverlagsgeschäft schließlich zugunsten des Finanzgeschäfts. Während Johann David sein frei werdendes Kapital vermehrt ins Bankgeschäft investierte und 1782 das Bankhaus J. D. Herstatt (1888 liquidiert) gründete, entschied sich Johann Jakob im selben Jahr für den lukrativen Weingroßhandel.
In der Johannisstraße in der ehemaligen Niederlassung der Abtei Altenberg, dem Altenberger Hof, betrieb er seit 1805 eine Zuckersiederei, in der Rohzucker aus Zuckerrohr verarbeitet wurde. Die 1806 per Dekret von Napoleon verkündete Kontinentalsperre, die die Einfuhr britischer Waren in französisches Staatsgebiet – zu dem Köln seit 1802 gehörte – verbot, führte zu einer gravierenden Rohstoffknappheit, nicht zuletzt auch bei dem aus den Kolonien bezogenen Rohzucker. Noch bevor die offizielle Anordnung der französischen Regierung über den jüngst entwickelten Anbau von Zuckerrüben im Roerdepartement erfolgte, erhielt Herstatt die Erlaubnis, seine Fabrik in eine Rübenzuckermanufaktur umzuwandeln. Auf dem Höhepunkt der Verarbeitung, der Kampagne, beschäftigte er 35 Arbeiterinnen und Arbeiter. 1811 ließ er 600.000 Kilogramm Rüben verarbeiten, sein Bruttoertrag betrug 80.000 Francs. Nach dem Tod Herstatts und seiner Frau im Jahr 1811 stellte die Fabrik, in der erstmals in Köln auch Rübenzucker hergestellt worden war, aber anscheinend den Betrieb ein.
Johann Jakob, als Freimaurer ein Mitglied der Kölner Dreikönigenloge, übernahm 1773 das Amt des Ältesten in der reformierten Gemeinde in Mülheim, die auch für Köln zuständig war. Seit 1766 war er mit Margaretha von der Leyen (1735–1811), einer Tochter des Krefelder Seidenindustriellen Peter von der Leyen, verheiratet. Das Paar hatte sechs Kinder. Die familiären Beziehungen der Herstatts und von der Leyens – weitere Geschwister heirateten ebenso in die jeweiligen Familien ein wie die Kinder – lassen sich auf den ihnen gemeinsamen rigiden Protestantismus mennonitischer Prägung zurückführen.
Das Bildnis gehört in eine Folge weiterer, gleich gestalteter ovaler Porträts von der Hand des Johann Jakob Schmitz aus der Zeit von 1784 bis 1786 mit identischen weiß-goldenen Louis-XVI.-Rahmen, von denen sich mittlerweile fünf mit sieben dargestellten Familienmitgliedern im Bestand des Kölnischen Stadtmuseums befinden. Schmitz, der beliebteste Porträtist der Kölner Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, malte ebenfalls die Ehefrau Margaretha, die Kinder Maria Margaretha (1767–1786), Friedrich Heinrich (1771–1816, erster protestantischer Beigeordneter Kölns) und Jakob Konrad (1774–1829) sowie Isaak Peter (1768–1818) und Petronella (1778–1834). Die Bilder gelangten wohl aus dem Besitz der Familie Herstatt in den Kunsthandel.
Die Porträts der Eltern erwarb das Historische Museum 1949 für 1150 DM von dem Kunst- und Auktionshaus Franz A. Menna. 1921 hatte Franz Anton Menna, aus einer alten Würzburger Künstlerfamilie stammend, in Köln am Hohenzollernring eine Kunsthandlung gegründet. 1959 ging er mit 70 Jahren in den Ruhestand. Nicht unumstritten sind seine Verkaufspraktiken moderner Kunst während der NS-Zeit.
Die übrigen Bildnisse der Herstatts kamen 1955 und 2003 in Museumsbesitz. Der Verbleib des fehlenden Bildes ist unbekannt.
Johann Jakob Schmitz: Johann Jakob Herstatt, 1784, Öl auf Leinwand, oval, H: 123,5 cm, B: 90 cm, Inv.-Nr. HM 1949/37. Ankauf von Franz A. Menna, Köln. Foto: rba_HM1949_37
Autor: Rita Wagner M. A.