„Wir wollen Geschichte erlebbar machen” – Ein Interview mit Silvia Rückert

Das Kölnische Stadtmuseum erlebt derzeit einen grundlegenden Wandel: Das Museum bezieht neue Räume, erhält eine neue Dauerausstellung und aktualisiert seinen gesamten Außenauftritt. Federführend koordiniert werden diese Veränderungen von Silvia Rückert, der stellvertretenden Leiterin des Kölnischen Stadtmuseums. Im Interview erzählt Frau Rückert, was die Vision für das Kölnische Stadtmuseum ist, worauf sie sich freut und wo aus ihrer Sicht die großen Herausforderungen liegen.

„Das Kölnische Stadtmuseum startet in eine neue Ära“, eröffnet die stellvertretende Museumsleiterin das Gespräch. „Wir verlassen das historische Zeughaus und wollen diesen Ortswechsel nutzen, um sozusagen ein wenig Ballast abzuwerfen. Das Kölnische Stadtmuseum verändert nicht nur sein Äußeres, sondern erhält ein neues Gesamtkonzept. Bildlich gesprochen kann man sagen, wir möchten das Brokatkleid durch ein leichtes Sommerkleid ersetzen. Das gesamte Konzept des Stadtmuseums soll leichter, moderner und progressiver werden.“

„Ein grundlegend neues Konzept“

Die erfahrene Museums- und Geschichtswissenschaftlerin hat ein klares Ziel vor Augen: „Der Wandel, den wir derzeit äußerlich vollziehen, muss auch nach innen wirken. Es geht nicht nur um eine neue Dauerausstellung, sondern um ein grundlegend neues Sammlungskonzept.“ In einem Stadtmuseum sei vieles über Jahrzehnte historisch gewachsen. Das sei ganz normal. Für das Kölnische Stadtmuseum sei jetzt der Zeitpunkt, sich zu fragen, was eigentlich Aufgabe und Ziel des Museums ist. Silvia Rückert: „Was ist eigentlich ein Stadtmuseum? Was ist unsere Mission? Was wird gesammelt und warum? – Diese grundlegenden Fragen möchten wir beantworten und damit das Museum für die Zukunft neu definieren.“

Frau Rückerts Vision verlangt ein Umdenken und macht auch vor „ungemütlichen“ Entscheidungen nicht halt: „Wir müssen entscheiden, was es wert ist, gesammelt zu werden und darauf unseren Fokus legen. Das wird nicht immer ganz ohne Diskussion und Auseinandersetzung gelingen.“ Allerdings stößt die Vision eines „neuen“ Kölnischen Stadtmuseums grundsätzlich auf große Zustimmung, sowohl im Team als auch beim Förderverein und der Stadt Köln. „Gerade der Förderverein unterstützt unsere Ideen sehr. Das freut mich, da Modernisierung und Veränderung ja durchaus auch auf Widerstände stoßen könnten. Dies ist zum Glück nicht der Fall.“

Emotionen im Mittelpunkt der neuen Dauerausstellung

Die Bürger*innen-Nähe, die das Museum erreichen möchte, war auch ein wichtiger Bestandteil in der Konzeption der neuen Dauerausstellung. Im Rahmen eines Partizipationsprojektes wurden heterogene Gruppen von Kölnerinnen und Kölnern eingeladen, um sich in Workshops schon in der Konzeptionsphase einzubringen. „Wir wollten die Stadtgeschichte Kölns mit Emotionen verknüpfen, denn Emotionen prägen eine Stadt nicht weniger als Wirtschaft und Kultur.“

Auf den Bild ist die stellvertretende Museumsleiterin Frau Silvia Rückert zu sehen. Sie steht angelehnt an eine große Teppichrolle auf der Museumsbaustelle und lächelt in die Kamera.
Silvia Rückert, stellvertretende Direktorin, auf der Museumsbaustelle (© C. Ehrchen)

„Die künftige Dauerausstellung besteht aus Frageräumen, die jeweils eine Emotion zugrunde legen. Beispielsweise ‚Was macht uns Angst?‘, ‚Was freut uns?‘ etc. Entlang dieser Emotion werden dann Aspekte der Stadtgeschichte erzählt“, erläutert Silvia Rückert. Im Rahmen des Partizipationsprojektes seien diese „Frageräume“ diskutiert worden. Die Teilnehmenden waren jeweils aufgefordert, ein persönliches Objekt mitzubringen, das für die jeweilige Emotion stehe. So habe das Team erarbeitet, welche Verbindungen die Kölnerinnen und Kölner zu den jeweiligen Emotionen ziehen.

Für Frau Rückert ein wesentlicher Beitrag, um die eigene Perspektive zu erweitern und vielfältiger zu denken.

„Köln ist bunt und vielfältig – Das soll das Kölnische Stadtmuseum widerspiegeln.“

Läuft das Kölnische Stadtmuseum durch das neue Konzept Gefahr, sein „Stammpublikum“ zu vergraulen? Aus Sicht von Frau Rückert besteht dieses Risiko nicht: „Wir wollen die Stadtgeschichte von Köln erzählen und die ist so vielfältig wie die Stadt selbst. Unser klassisches Publikum wird im Kölnischen Stadtmuseum nach wie vor beheimatet sein. Aber darüber hinaus möchten wir breiter werden in den museologischen Konzepten und Formaten, die wir anbieten. Damit stehen wir nicht allein. Viele Stadtmuseen in Deutschland sind derzeit dabei, ihr tradiertes und etwas verstaubtes Image zu überdenken und sich zu verjüngen. Das ist ein natürlicher Wandel, der mit einer Öffnung für breitere Zielgruppen einhergeht.“

Für die Wissenschaftlerin, die zuvor in Stuttgart bei der Neukonzeptionierung des Stadtmuseums mitgewirkt hat, ist eine Verjüngung des Stadtmuseums ein „Muss“. „Wir werden uns nicht hinter Museumsmauern verstecken. Das Kölnische Stadtmuseum ist Teil der Stadt und muss sich weiter öffnen. Damit wird es dann auch bunter und vielfältiger.“

Metamorphose vom Modehaus zum bürgernahen Museum

Der Umzug ins ehemalige Modehaus Sauer ist für Frau Rückert gleichbedeutend mit einer Metamorphose. „Das Museum erhält einen neuen Ort, zentral und nahe der belebten und hektischen Einkaufsmeile. Die neue Dauerausstellung trägt diesem Ortswechsel Rechnung.“

Für die stellvertretende Museumsleiterin ist wesentlich, dass die Kölnerinnen und Kölner das Stadtmuseum als „ihr Museum“ erleben. Es solle ein Ort für alle Bewohner*innen der Stadt sein – und natürlich auch für Tourist*innen, die mehr über Köln erfahren möchten. „Unser neues Konzept soll Jung und Alt ansprechen und den veränderten Rezeptionsverhalten des Publikums Rechnung tragen.“

In den kommenden Jahren gilt Qualität vor Quantität

Im Haus Sauer hat das Museum deutlich weniger Platz als im Zeughaus. Dies verlangt aus Sicht der stellvertretenden Museumsleitung eine Konzentration auf das Wesentliche. „Wir sehen diese Begrenzung als Chance. Nicht nur bei der Dauerausstellung, auch in unseren sonstigen Aktivitäten wird es künftig mehr denn je darum gehen, selektive, hochwertige und zeitgemäße Angebote zu machen. Wir müssen frisch, dynamisch und beweglich bleiben. Das verlangt, dass wir weniger auf immer gleiche Standards setzen, sondern gut durchdachte Einzelangebote passgenau für die jeweilige Zielgruppe entwickeln.“

Frau Rückert betont: „Eine Ausstellung ist kein Lexikon. Wir können und wollen nicht vollständig sein und alles zeigen, sondern müssen eine gut durchdachte Auswahl treffen. Geschichte in neuen Formaten und Erzählformen zu konzentrieren und erlebbar zu machen, das ist die große Herausforderung unseres Hauses.“