Wie zieht man ein Museum um? Ein Interview mit unserer Chefrestauratorin
Die Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums umfasst um die 350.000 Objekte, davon allein über 100.000 Grafiken. Nur ein Bruchteil davon kann ausgestellt werden, das meiste lagert im Depot. Die Sammlung wächst kontinuierlich, da es immer wieder Schenkungen oder Neuerwerbungen gibt. So zum Beispiel jüngst aus der Traditionsserie „Lindenstraße“ des WDR.
Die Katalogisierung und Betreuung dieser Sammlung obliegt u. a. einem Team von Restauratorinnen und Restauratoren unter der Leitung von Andrea Habel-Schablitzky. Sie ist es auch, die für den Umzug und die Restaurierung der Objekte für die Dauerausstellung wesentlich verantwortlich ist.
In einem Gespräch erzählt sie, wie ein Museumsumzug funktioniert und wie weit die Vorbereitungen schon gediehen sind.
„Wir hatten ja schon einmal einen Teilumzug, als wir 2017 aufgrund des Wasserschadens eine Not-Evakuierung von Objekten vornehmen mussten. Das war natürlich etwas anderes, damals war Gefahr im Verzug und wir haben die gefährdeten Exponate möglichst schnell in ein Not-Depot verbracht“, erinnert sich die Restauratorin.
„Nicht nur unsere Objekte müssen umziehen, sondern auch wir“
„Bei dem derzeitigen Umzug besteht die Herausforderung darin, dass nicht nur unsere Objekte umziehen müssen, sondern auch wir. Während wir also die neue Dauerausstellung vorbereiten und die zugehörigen Ausstellungsstücke restauratorisch und konservatorisch behandeln, müssen wir auch unseren eigenen Umzug ins neue Gebäude planen“, erzählt Habel-Schablitzky. Während die Werkstätten „eingepackt“ werden, können Restaurierungen nur in der Außenwerkstatt im Depot sowie in den eigenen Werkstätten freier Mitarbeitender vorgenommen werden.
Auf die Frage, wie einerseits eine Restaurierung als sehr konzentrierte Tätigkeit und andererseits ein Umzug zusammenpassen würden, hat Andrea Habel-Schablitzky eine klare Antwort: „Es bedarf einer sehr guten und genauen Planung.“ Die Restauratorin schildert, dass das Team einen detaillierten Projektplan erstellt habe, bei dem die einzelnen Schritte möglichst gut aufeinander abgestimmt seien. „Die neue Dauerausstellung umfasst etwa 550 Objekte. Wir haben diese zunächst in den verschiedenen Depots gesucht und gesichtet.“
Dann musste für jedes Objekt entschieden werden, welche Maßnahmen nötig sind und wo diese Arbeiten stattfinden können. Die Expertin erläutert: „Restaurierung unterteilt sich in verschiedene Fachbereiche. Es gibt Expert*innen für die verschiedenen Werkstoffe und Objekte, beispielsweise für Porzellan und Glas, für Bilder, Textilien etc.“ Jedes Material verlange seine eigenen, spezialisierten Restaurierungstechniken. Entsprechend müsse die Arbeit im Team und teilweise auch an externe Mitarbeiter*innen verteilt werden.
„Bei Restaurierung geht es nicht darum, die Vergangenheit auszulöschen“
Besonderes Augenmerk wurde auf das Kernstück der neuen Dauerausstellung gelegt: das historische Stadtmodell, das Köln im Jahr 1571 zeigt und das vor über 100 Jahren von Gerhard Fischer erbaut wurde. Da dieses Modell sehr schwer und rund dreieinhalb auf vier Meter groß ist, konnte es nur im Depot restauriert werden. Um hier eine Vor-Ort-Restaurierung zu ermöglichen, mussten zahlreiche Vorbereitungen getroffen werden. Ein staubfreies Zelt, passende Klimabedingungen und einiges mehr.
„Wenn wir Exponate wie das historische Stadtmodell bearbeiten, dann überlegen wir sehr genau, wie weit die Maßnahmen gehen sollen. Es geht bei Restaurierung nicht darum, die Vergangenheit auszulöschen und die Ursprungsfassung wieder herzustellen. Stattdessen möchten wir die Geschichte des Objektes lesbar machen und erhalten. Unser Stadtmodell hat schon eine Menge erlebt, was auf den dritten Blick auch erkennbar wird. Wir restaurieren das Modell nur sehr vorsichtig und wollen durchaus sichtbar machen, was mit ihm passiert ist. Ziel der Restaurierung ist es, ein beruhigtes Gesamtbild zu erzielen, nicht jeden Schaden zu beseitigen“, stellt die Chefrestauratorin klar.
Nach der Restaurierung des Stadtmodells wird dieses zunächst wieder in Kisten verpackt und gelagert. Endgültig aufgebaut wird es dann in der neuen Dauerausstellung. Auch hier gibt es eine Menge zu bedenken: Wie können die Objekte von Werkstatt oder Depot ins Museum transportiert werden? Wo werden sie vor der Einbringung in die Dauerausstellung zwischengelagert? Welche Halterungen, Vitrinen oder Träger benötigt das Objekt in der Dauerausstellung selbst? Alle diese Details werden im Team des Kölnischen Stadtmuseums gemeinsam von Kurator*innen und Restaurator*innen, den externen Partnerfirmen und Spezialisten besprochen und geplant.
Andrea Habel-Schablitzky: „Sorgfalt ist in unserer Arbeit entscheidend. Nicht nur bei der Restaurierung selbst, sondern bei den gesamten Abläufen. Bei der Menge an Objekten ist es zum Beispiel essenziell wichtig, dass jede Bewegung eines Objektes genau dokumentiert wird. So ist immer nachvollziehbar, welches Stück sich gerade wo befindet.“
Der Umzug der Werkstätten und Funktionsräume in den kommenden Wochen ist ein wichtiger Schritt, um schon einmal näher an die künftigen Ausstellungsräume zu kommen. Auch die umfangreiche Grafiksammlung wartet auf den Umzug ins Haus Sauer.
550 Objekte müssen eingebracht werden – eine herausfordernde Logistikaufgabe
Der letzte wesentliche Schritt wird dann die Einbringung der ca. 550 Objekte sein. Auch hierfür gibt es einen exakten Plan – und viele Herausforderungen: „Es gibt einige Objekte, die zu sperrig sind, um durch die Türen transportiert zu werden. Es muss also ein anderer Zugang geschaffen werden, um diese Objekte ins Gebäude zu bringen. Für diese spezielle Anlieferung steht nur ein Tag zur Verfügung. An diesem Tag müssen alle großformatigen Ausstellungstücke gleichzeitig angeliefert werden“, erläutert Frau Habel-Schablitzky.
Insgesamt ist bei dem Umzug des Museums sehr viel Teamarbeit gefragt. Gerade die Restaurator*innen kommunizieren mit vielen Abteilungen und Bereichen und sind so etwas wie die Schnittstelle zwischen den Beteiligten. Die intensive Kommunikation, die Diskussionen und der Austausch stellten laut Andrea Habel-Schablitzky vor allem unter Corona-Bedingungen eine große Herausforderung dar: „Es ist schon viel einfacher, wenn man räumlich beieinander ist und sich schnell austauschen kann.“
Mit jedem Tag, den die Eröffnung des neuen Museums näher rückt, steigt die Spannung im Team. Die Chefrestauratorin: „Wir freuen uns sehr auf unseren Neustart im ehemaligen Modehaus Franz Sauer. Aber bis dahin liegt noch eine Menge Arbeit vor uns. Wir denken immer Schritt für Schritt.“