Die stille Rückkehr eines verlorenen Schätzchens

Zur Zeit seiner Erbauung (1594–1606) war das Zeughaus der Stolz der Stadt Köln – mit seiner Waffen- und Rüstungssammlung und dem prächtig ausgestatteten Repräsentationsraum im ersten Obergeschoss. Die Ausstattung dieses Raumes mit feinen Schnitz- und Intarsienarbeiten um 1600 fertigte der in Köln ansässige Kunstschreinermeister Melchior von Rheidt. Das Prunkportal überstand die wechselvollen Zeiten, wie die Ausräumung des Baus durch die französische Revolutionsarmee oder die Neunutzung durch die nachrückende preußische Armee ab 1815. Im Jahr 1871 wurde das Portal an die Stadt Köln verkauft, das an dem Portal angebrachte Wappenschild (Supraporte) galt seinerzeit als verloren. Dieses tauchte aber unverhofft 1982 auf und wurde vom Kölnischen Stadtmuseum erworben.


Man sieht das Kölner Wappen aus Holz. Einige Elemente sind vergoldet.
Kölner Wappen, Köln, 1598–1601, KSM 1982/726. Foto: rba_KSM1982_726

Dargestellt ist das Wappen der Stadt Köln, wie es sich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts entwickelt hat. Das Oberteil ist in Rot gehalten mit drei goldenen Kronen, die auf die Stadtpatrone der Heiligen Drei Könige hinweisen; das Unterteil ist silbrig weiß gefärbt mit den elf Flammen, die symbolhaft für die heilige Ursula als Stadtpatronin mit ihren 11.000 Jungfrauen stehen. Das Wappen wird bekrönt von einem Spangenhelm mit Fächerschmuck (mit drei Kronen), links von einem geflügelten Greifen und rechts von einem Löwen gestützt. Das oval geformte Wappen ist gefasst durch Beschlagwerk und Rollornamentik.

In der Zeichnung mutet dieses Relief wie ein verkleinertes Gegenstück des Nordportals des Zeughauses an, das der aus Lüttich stammende Bildhauer Pieter Cronenborch entworfen hatte (auf das weiter vorhandene allegorische Beiwerk wurde dort allerdings aus Platzgründen verzichtet).

Aufgrund der Ähnlichkeit und der Maße ist die Vermutung sehr naheliegend, dass es sich um die ursprüngliche Füllung der Supraporte des Zeughaus-Prunkportals des Melchior von Reidt handelt. Dieser hatte um 1600 den Auftrag erhalten, für den Treppenhauszugang vom Turm zum Obergeschoss das Portal als Bestandteil des dortigen Festsaals mit kostbaren Intarsien und aufwendigen Schnitzarbeiten auszuführen. Es war wohl die anerkannte handwerkliche Qualität des Meisters, weniger die menschliche, die die Stadt zum Auftrag drängte, und so kam das Unvermeidliche: Wegen der Arbeit entstand 1598 ein Streit mit dem Schreineramt und mit dem Rat um die Bezahlung. Ein aus Frankfurt herbeizitierter Sachverständiger taxierte den Wert auf 700 Reichstaler und beurteilte die Arbeit 1602 und 1603 als »kunstreich und mit allem Fleiß gearbeitet«. Wie es weiterging, ist leider nicht überliefert, wohl aber, dass der Meister sich neue Kontrahenten suchte. Das Portal überstand alle Zeitläufte, sogar die Ausräumung des Zeughauses durch die Franzosen 1794/95.

1815 rückten Preußens Militärs nach und nutzten auch das Zeughaus. Ab 1825 wurde ein massiver Umbau geplant, der bis 1830 durchgeführt wurde. In diesem Zusammenhang fand eine ikonographische Säuberungsaktion statt, die nachweislich das Nordportal, vermutlich auch das Portal im Inneren betraf: Die stadtkölnischen Wappen wurden entfernt und zumindest am Nordportal dann durch den preußischen Adler ersetzt. Damals erhielt wohl ein Schreiner den Auftrag, das suspekte Objekt aus dem Portal des Obergeschosses zu entfernen. Der verbliebene Rest der Türanlage wurde überstrichen, aber 1871 von einem Offizier entdeckt, der die Tür dann wohl im Rahmen von »Putz- und Flickstunden« von seinen Rekruten von den Farbschichten befreien ließ. Danach wurde das Portal der Stadt Köln verkauft, die dafür 412 Taler bezahlte. Der Zustand aber muss erschreckend gewesen sein, denn es folgte eine umfängliche Restaurierung, bevor es im Rathaus neu eingebaut werden konnte (Kommissionssitzungszimmer im Alter-Markt-Trakt, 2. Obergeschoss). Als Neuschöpfung wurde in die Supraporte das – vermeintlich verlorene – Wappen der Stadt Köln eingesetzt. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ausgelagert, überstand das Portal den Brand des Rathauses am 29. Juni 1943 im Exil. 1975 konnte es nach erneuter Restaurierung wieder eingebaut werden (Prophetenkammer). Bei einer erneuten Instandsetzung 1980/82 kam eine handschriftliche Signatur auf der Rückseite zutage, die als beteiligten Kunsthandwerker »Bylthauer Hynderyh Warnyhen van bremen, Anno Dom 1601« (Fertigstellungsdatum) nennt.

Ein glücklicher Zufall brachte die ursprüngliche Wappenfüllung wieder an ihren Ursprungsort zurück. Mit Rechnung vom 8. November 1982 über 5.600 DM gelangte das Stück als Ankauf von Manfred Wellmann, Köln, ins Museum, wo es 1984–2013 den Aufzugschacht schmückte. Seit 2015 begrüßt es die Besucherinnen und Besucher am Eingang in die Ausstellungsräume – wenn auch nicht am alten Platz, dann doch wenigstens in der Nähe des Treppenturms.


Kölner Wappen, Köln, 1598–1601, Lindenholz, farbig gefasst; H: 81,5 cm, B: 118 cm, Inv.-Nr. KSM 1982/726. Foto: rba_KSM1982_726

Autor: Dr. Johannes Ralf Beines