Echtes Gold für die unechte Brücke

Nach langwierigen Verhandlungen in der Stadtverordnetenversammlung und in der Öffentlichkeit war es am 3. Juli 1915 endlich soweit. Seit der römischen Zeit überspannte den Rhein in Köln erstmals wieder eine feste Brücke: die Deutzer Hängebrücke, entworfen von dem Kölner Architekten Carl Moritz. Als 1922 das goldene Niet mit der Inschrift »Das letzte Niet, geschlagen am 3. Juli 1915« dem Historischen Museum übergeben wurde, konnte freilich niemand ahnen, dass die Brücke, scheinbar für die Ewigkeit gebaut, nur noch knapp 30 Jahre bestehen sollte.


Man sieht einen alten Nietbolzen und eine Mutter.
Nietbolzen, 1915. Foto: rba_d033531

43 Jahre Planung waren vergangen, als am 3. Juli 1915 ein vergoldeter Nietbolzen die Fertigstellung der Deutzer Hängebrücke symbolisierte. Etwa 50 Meter neben der alten Schiffbrücke – sie blieb während der Bauphase in Betrieb – verbanden nun 8.263 Tonnen Stahl das rechtsrheinische Deutz mit den linksrheinischen Stadtteilen. Mehr als 30 Entwürfe – einer davon von Eugen Langen – waren geprüft und verglichen worden, bis sich die Stadtverwaltung 1913 für eine moderne Kettenhängebrücke entschieden hatte. Der damalige Beigeordnete Konrad Adenauer war zuvor eigens nach Budapest zur Szegedin-Brücke gereist, um sich von der Tauglichkeit dieser wegweisenden Brückenkonstruktion überzeugen zu lassen. Keine Stahlseile – wie zum Beispiel an der späteren Mülheimer Brücke – trugen bei dieser Konstruktion die Fahrbahnen, sondern Eisenketten. Jedes Kettenglied bestand aus zwölf Stahlscheiben, welche durch Bolzen verbunden waren und über die zwei Pylone gespannt wurden. Fortschrittlich in der Technik und sachlich gezeichnet ohne Schmuckwerk, war die Deutzer Hängebrücke wegweisend als erste ihrer Art am Rhein. Eine der Stahlscheiben kann heute noch an der linksrheinischen Rampe begutachtet werden. Sie wurde zufällig beim Ausbaggern der Fahrrinne 1987 gefunden.

Als die Römer um 310 n. Chr. die erste feste Brücke Kölns fertigstellten und so das Kastell Deutz mit dem Stadtzentrum verbanden, ahnten sie noch nichts von den Schwierigkeiten ihrer Nachfahren am Rhein. Denn die Bodenbeschaffenheit am Kölner Ufer ließ eine »echte«, erdverankerte Hängebrücke nicht zu. Die Kettenzüge mussten durch Verankerungen an den Versteifungsträgerenden und nicht wie üblich im Boden aufgefangen werden. Das steigende Transportaufkommen des industrialisierten deutschen Kaiserreichs hatte zudem deutlichen Einfluss auf die Gestaltung der Deutzer Kettenhängebrücke sowie der städtebaulichen Entwicklung. Um die geforderte Durchfahrtshöhe zu erreichen und gleichzeitig die maximale Steigung der Fahrbahnen nicht zu überschreiten, mussten beiderseits der Brücke lange Auffahrtsrampen angelegt werden. Während in Deutz die Rampe in Verlängerung der Straße Deutzer Freiheit nur wenige Veränderungen der bestehenden Bebauung erforderte, waren am Heumarkt tiefer gehende Eingriffe nötig: Der gesamte Häuserbestand zwischen Markmannsgasse, Rheinuferstraße, Großmarkthallen und Heumarkt musste der neuen Brückenrampe weichen. Bis heute ist die Schneise der »unechten« Hängebrücke im Stadtbild sichtbar. Der Heumarkt tauschte für die Realisierung der Deutzer (Ketten-)Hängebrücke seinen Marktcharakter bis heute zugunsten eines Verkehrsknotenpunkts ein. Am Deutzer Ufer musste zunächst der Schiffsbahnhof der BergischMärkischen Eisenbahngesellschaft beseitigt werden, um die rechtsrheinischen Bezirke der zu diesem Zeitpunkt flächenmäßig größten Stadt des Deutschen Reichs mit dem Zentrum zu verbinden. Die Ausgrabungen der letzten Jahre am Deutzer Ufer lassen heute wieder die Lage des ehemaligen Bahnhofs erkennen.

1935 erhielt die Deutzer Hängebrücke den Namen »Hindenburgbrücke« nach dem im Jahr zuvor verstorbenen Reichspräsidenten.

Trotz Bombentreffern war die Brücke im Zweiten Weltkrieg weiter in Betrieb und nahm zusätzlich Verkehr der bereits zerstörten Mülheimer Brücke mit auf. Am 28. Februar 1945 stürzte die Brücke bei Reparaturarbeiten in sich zusammen und riss Passanten, Arbeiter und Fahrzeuge mit in den Rhein, Hunderte Menschen fanden den Tod.

Als im Jahr 1922 das goldene Niet mit der Inschrift »Das letzte Niet, geschlagen am 3. Juli 1915« dem Historischen Museum übergeben wurde, ahnte noch niemand, dass diese wegweisende Brückenkonstruktion nur 30 Jahre lang Bestand haben sollte. An ihrer Stelle wurde zwischen 1947 und 1948 die heutige Deutzer Brücke erbaut, die noch immer die Rampen und Brückenpfeiler der Kettenhängebrücke nutzt.


Nietbolzen, Köln, 1915, Aufschrift »Das letzte Niet, geschlagen am 3. Juli 1915« Eisen, vergoldeter Kopf und silberne Unterlegscheibe; ca. 10 cm, Inv.-Nr. HM 1922/37. Überweisung des Oberbürgermeisteramtes der Stadt Köln, 1922. Foto: rba_d033531

Autor: Philipp Hoffmann