»Mein Schatz!«
Der Dünnwalder Silberschatz, einer der bedeutendsten Münzfunde im Rheinland: Auf dem Dünnwalder Friedhof im 13. Jahrhundert vergraben, findet ihn 1939 ein Totengräber bei der Arbeit. Der Silberschatz besteht aus annähernd 2000 Münzen, darunter 700 holländische Pfennige, 300 Denare der Kölner Erzbischöfe, 88 Sterlinge aus England und über 150 sehr rare Halb- und Viertelpfennige.
Es sind unruhige Zeiten im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Köln mit seiner größten Stadtmauer nördlich der Alpen bot seinen Bewohnern hinreichend Schutz vor Überfällen und Plünderungen, aber auf dem Land, zum Beispiel in Dünnwald, sah das anders aus. Der Ort gehörte damals zur Grafschaft Berg und bestand aus wenigen ungesicherten Fachwerkhäusern und dem Kloster der Prämonstratenserinnen. Dessen Einnahmen aus Pacht, Zins und Kollekten werden nicht unerheblich gewesen sein – nur dürfte die sichere Aufbewahrung eines kleinen Vermögens von circa 2.200 Silbermünzen der Äbtissin Kopfzerbrechen bereitet haben. Ein gutes Versteck musste also her, zum Beispiel der nahe gelegene Friedhof. Die Totenruhe würde wohl niemand stören, und wer käme schon auf die Idee, einen ganzen Gottesacker umzugraben? Nur zu dumm, dass die mit der Vermögensverwaltung betraute Person ihre Kenntnis des Versteckes mit ins Grab nehmen sollte … So weit ein mögliches Szenario.
An einem grauen Novembertag des Jahres 1939 stieß der Totengräber August Pfeil auf dem nun zu Köln gehörenden Friedhof auf den Schatz. Er musste ihn – so sah es das Gesetz vor – abgeben, konnte aber offensichtlich der Versuchung nicht ganz widerstehen: Ein Viertel behielt er wohl für sich. So gelangten 1.578 Münzen in den Besitz des »Hauses der Rheinischen Heimat« und sehr bald 600 weitere Münzen des Fundes in den freien Handel. Aus diesem 1939 abgezweigten Konvolut stammen auch die 43 Münzen, die 1974 mit dem Hauptschatz im Stadtmuseum wiedervereint werden sollten.
Das Erdreich des Dünnwalder Friedhofs gab übrigens im Jahr 1961 noch einen weiteren mittelalterlichen Münzschatz preis, ein kleines Keramikgefäß mit 89 Denaren, das ebenfalls im späten 13. Jahrhundert vergraben worden sein muss. Diesen Münzfund Dünnwald II kann man seit 2004 neben seinem größeren Bruder in der Mittelalterabteilung des Museums in Augenschein nehmen.
Auch wenn spektakuläre Goldmünzen fehlen, so ist der Dünnwalder Silberschatz doch allein schon aufgrund seines Umfangs einer der bedeutendsten Münzfunde des 20. Jahrhunderts im Rheinland. Er gibt Aufschluss über den damaligen regionalen Geldumlauf und dokumentiert die enge wirtschaftliche Verflechtung mit dem niederländischen Raum. Allein fast 700 Münzen sind leichte holländische Pfennige, sogenannte »Köpfchen«. Des Weiteren gehören über 300 Pfennige bzw. Denare der Kölner Erzbischöfe, fast 200 Denare aus Aachen und 88 Sterlinge aus England und Schottland zu den großen Gruppen im Fundkomplex. Auffällig ist die hohe Zahl von über 150 Halb- und Viertelpfennigen, sogenannte Obolen und Quadranten. Diese Teilstücke des Pfennigs waren im Mittelalter seltener, und einige dieser Münzen tauchen hier erstmals auf – die Numismatik kannte sie bis dato nicht! Dieser signifikant hohe Anteil geringwertigerer Münzen, zu dem sich noch etliche zu Kleingeld zerschnittene Silberlinge gesellen, legt die Vermutung nahe, es könnte sich um Opferstockgaben aus der kaum 300 Meter entfernten Klosterkirche handeln.
Aufgrund ihrer Rarität werden solche Teilstücke heute ganz anders bewertet. Hocherfreut war deshalb sicher auch Albert Steilberg, ein anerkannter Numismatiker, dem Fritz Fremersdorf, der damalige Leiter des Museums für Vor- und Frühgeschichte im »Haus der Rheinischen Heimat«, den Fund 1942 zur Bestimmung übergab und ihm dafür 27 Stücke des Schatzes generös überließ – ein aus heutiger Sicht befremdlicher Vorgang, für den sich ein Museumsdirektor gewaltigen Ärger einhandeln würde.
Münzfund Dünnwald I/Ia, 1551 (I) + 43 (Ia) Denare und Teilstücke (Obole, Quadranten), Metall (Silber). 13. Jahrhundert (früheste Prägung: nach 1200, späteste Prägung: 1275-1282, sog. »Schlussmünze« des Fundes), Inv.-Nrn. KSM 1974/167,1–43 (Dünnwald I a;), KSM 1970/424, KSM 2003/105 (Nachinventarisierungen von Dünnwald I). Foto: rba_d033575
Autor: Dr. Ulrich Bock