
Nicht nur Megaparty?
Mit dem XX. Weltjugendtag vom 11. bis zum 21. August 2005 fand in Köln ein kirchliches Weltereignis statt, das etwa eine Million junge Menschen aus aller Welt hierherzog.
Am Rande des Großereignisses fand eine kleine historisch und interreligiös sehr bedeutende Veranstaltung in der Kölner Synagoge an der Roonstraße statt: Auf Einladung des Rabbiners Natanel Teitelbaum war Papst Benedikt XVI. am 19. August 2005 zu einer religiösen Feierstunde dorthin gekommen und wurde als Brückenbauer zwischen Judentum und Christentum begrüßt. Der frühere Direktor des Stadtmuseums, Dr. Werner Schäfke, nahm an der Feierstunde teil, zu der er – wie alle anwesenden Männer – diese eigens für den Anlass hergestellte Kippa trug.

Den über eine Million Teilnehmern, aber auch den Kölnern, die das Geschehen des XX. Weltjugendtages 2005 erlebt haben, ist die frohe und friedliche Atmosphäre dieser Sommertage in und um Köln herum in guter Erinnerung geblieben. Den himmelblauen Teilnehmerrucksack mit dem Emblem des Weltjugendtages konnte man noch viele Monate später immer wieder im Straßenbild Kölns entdecken.
Inmitten des fröhlichen, von den Medien gefeierten Events mit Papst Benedikt XVI. als Medienstar, noch vom deutschen Gefühl »Wir sind Papst« getragen, wurde auch Geschichte geschrieben. Zwischen den Auftritten von Papst Benedikt XVI. vor großem Publikum war sein Besuch bei der Kölner Synagogen-Gemeinde am Vormittag des 19. August zwar von großem Sicherheitsaufwand begleitet, aber nicht von großer Aufmerksamkeit der Medien.
Die Vorbereitungen für den XX. Weltjugendtag vom 11. bis zum 21. August 2005 in Köln waren noch unter Benedikts Vorgänger Papst Johannes Paul II. (1978–2005) getroffen worden. Am 19. April 2005 hatte Joseph Ratzinger dessen Nachfolge als Benedikt XVI. (bis zum 28.2.2013) angetreten.
Was Johannes Paul II. mit seinem Besuch 1986 in der Großen Synagoge in Rom oder seinem Gebet im Jahr 2000 an der Klagemauer in Jerusalem in seiner Zuwendung zu den »älteren Geschwistern der Christen« begonnen hatte, wurde hier am 19. August 2005 von seinem Nachfolger mit dem Besuch der Kölner Synagogen-Gemeinde weitergeführt. Es war das erste Mal, dass ein Papst eine Synagoge in Deutschland besuchte.
Den Vorzug, auf die kleine Liste der Gäste zu gelangen, hatte das Kölnische Stadtmuseum wohl einer damals bereits langen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Synagogengemeinde für den kleinen Museumsbereich der Synagoge in der Roonstraße zu verdanken.
Für diesen Tag und diesen Besuch hatte die Synagogengemeinde bei der Firma »Dina«-Export in Tel Aviv 1.000 Kippot mit dem entsprechenden Aufdruck bestellt, wie sie von männlichen Besuchern der Synagoge zu tragen sind. Danach wurde die damals von mir getragene Kippa Bestand der Sammlungen des Kölnischen Stadtmuseums. Sie trägt daher die Erinnerungen an einen historischen Augenblick in der langen Geschichte des Judentums seit der Antike in Köln mit sich ins Museum. Erinnerungen an das Grußwort Abraham Lehrers, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, an die Ansprache des Rabbiners der Synagogen-Gemeinde Köln, Netanel Teitelbaum, und an den von Papst und Rabbiner ausgetauschten Händedruck – und schließlich an die Ansprache Papst Benedikts XVI. Sie alle verbanden den Rückblick auf die dunklen Stunden der gemeinsamen Geschichte im Kölner Mittelalter und im Holocaust mit der Hoffnung auf eine »gerechtere und friedvollere Welt«, in der für Juden und Christen die Zehn Gebote »gemeinsames Erbe und gemeinsame Verpflichtung« sind.
»Dina«-Export, Tel Aviv, 2005,Aufdruck: »Besuch Papst Benedikt XVI. 19. August 2005«. Polyester; H: 7 cm, Dm: 16 cm. Inv.-Nr. KSM 2005/168. Schenkung von Museumsdirektor Dr. Werner Schäfke, Köln. Foto: rba_d033521
Autor: Dr. Bettina Mosler