Aufstand im Strandbad – Britz und Zwickelerlass

Im 19. Jahrhundert kam das Schwimmen in Mode – auch für die Damenwelt. Anfänglich in lange Beinkleider, Strümpfe, Blusen und Häubchen gekleidet, durften die Schwimmerinnen im Laufe der Jahrzehnte immer mehr nackte Haut zeigen. Bis 1900 hatte sich die Mode liberalisiert und um 1910 trug die sportbegeisterte Frau dann schon solche gewagten Einteiler, die Arme und Beine teilweise unbedeckt ließen.


Man sieht einen roten Stoffanzug. Dieser hat Rüschen an den Ärmeln.
Damenbadeanzug, um 1912. Foto: rba_d033459

Bereits 1817 eröffnete in Deutz eine Rhein-Badeanstalt. Allerdings war die nicht zum Schwimmen, sondern diente der Körperpflege. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnten gerade einmal fünf Prozent der Kölner Bevölkerung schwimmen. Um die Mitte des Jahrhunderts boten die Rheinbadeschiffe auch Schwimmbahnen an, zunächst jedoch nur für Männer. Frauen wurde das Schwimmen durch unpraktikable Kleidung noch zusätzlich erschwert: Ihr Badekostüm bestand aus langen Beinkleidern, Strümpfen, Blusen oder Leibchen und natürlich Häubchen. Trotzdem durften sie nur schwimmen, wenn es keine männlichen Zuschauer gab. Um die Jahrhundertwende hatte sich die Situation verändert. Die Anfänge des Frauensports im Allgemeinen markieren den Aufbruch der Frauen aus der Isolation der Privatsphäre und der Ausgrenzung aus dem öffentlichen Leben: »Die geistige Befreiung des weiblichen Geschlechts war untrennbar verbunden mit seiner körperlichen Befreiung.«

1903 wurde in Köln der Erste Damen-SchwimmVerein gegründet, 1909 folgte der DamenSchwimm-Klub »Rheingold«, 1911 die Damenabteilung des Schwimm-Vereins »Rhenus« und 1913 schließlich der Damen-Schwimm-Verein »Poseidon«. Aber selbst Schwimmwettkämpfe durften nur ohne männliche Zuschauer stattfinden. Rückenschwimmen galt gar als schamlos und war verpönt.

Wo schwamm man und frau? 1886 öffnete in Köln mit dem Hohenstaufenbad das erste Hallenbad – hier gab es nicht nur gesonderte Becken für »Herren« und »Damen«, sondern auch noch eines für das »Volk«, womit gleich klar war – Frauen der Unterschicht schwammen nicht. Neben den Rheinbadeschiffen gab es zahlreiche Badestellen direkt am Rhein, die aber durchweg nur von Männern genutzt wurden. Öffentlich badende Frauen riefen jedes Mal empörte Reaktionen hervor. Gleichzeitig wurde »wildes Baden« im Zuge der Lebensreformbewegung zum Massenphänomen. Baden und Schwimmen im offenen Wasser, ohne Absperrung und ohne Aufsicht, nahmen viele als neue Freiheit wahr.

Da immer wieder Todesopfer unter den Schwimmern zu beklagen waren, gab es bald auch Strandbäder mit streng nach Geschlechtern getrennten Schwimmbereichen. 1912 öffnete das Strandbad in Rodenkirchen, wegen des langen Sandstrands bis heute als »Rodenkirchener Riviera« bekannt. Hier trennte ein Zaun, die »Britz«, den Männer- vom Frauen- und Kinderteil. Am 3. August 1913 wagten die männlichen Gäste den Aufstand – sie rissen die »Britz« nieder und verlebten einen schönen Sommertag mit ihrer Familie. Zehn Tage später stand der Zaun wieder. Zum Familienbad wurde Rodenkirchen erst 1919.

Südlich von Köln, im Strandbad Langel auf der Schäl Sick, zeigte man mehr Toleranz. Hier befand sich ein richtiges Familienbad, zu dem die Kölnerinnen und Kölner mit dem Dampfer übersetzten.

Mittlerweile war die Bademode auch für Damen funktionaler geworden. Weiterhin bestand sie aber aus Jacke und Hose – das war nicht nur eine Frage von Sitte und Anstand, die Dame von Welt wollte ihre Porzellanhaut bewahren. Noch war Sonnenbräune kein Zeichen für Müßiggang, sondern eines für harte Feldarbeit. Allmählich setzten sich Einteiler durch, Hosenbeine und Ärmel verkürzten sich zusehends – zunächst gab es noch Flügelärmchen, etwas weitere Ausschnitte und knielange Hosen mit Volants.

Die wilden Zwanziger brachten auch in der Bademode viel Freizügiges. Dies war den konservativen Kreisen in Deutschland nicht geheuer, sie sahen die Moral in Gefahr. 1932 wurde zwar die Geschlechtertrennung in den öffentlichen Badeanstalten aufgehoben, aber dieser Freizügigkeit gleich wieder Einhalt geboten und mit dem »Zwickelerlass« festgelegt, welche Teile des Körpers beim Baden zu verhüllen seien.

Dieser für seine Zeit durchaus gewagte einteilige Badeanzug wurde von der 1872 geborenen Mutter der Schenkerin Inge Wilkens aus Bonn-Langsdorf in den deutschen Nordseebädern getragen. 


Damenbadeanzug, Norddeutsch?, um 1912. Roter Baumwoll-Köper, L: 110 cm,  Inv.-Nr. KSM 1970/225. Schenkung von Inge Wilkens, Bonn-Langsdorf, aus Familienbesitz, 1970. Foto: rba_d033459

Autor: Rita Wagner M. A.