Elite der deutschen Revolution
Das Jahr 1848 polarisierte – und die Deutschen scheuten sich nicht, Stellung zu beziehen. Rechnete man sich zur Minderheit der Linken, dann erwarb man eine Lithografie, die die Heroen der Linken im Frankfurter Parlament zeigte, darunter auch den Kölner Robert Blum als Märtyrer der Revolution.
Hier sind die führenden Linken der deutschen Revolution 1848/49 dargestellt. Auch wenn auf der bei Eduard Gustav Mey und Wirsing erschienenen Lithografie extra vermerkt ist, dass die Porträts von Wilhelm Völker (1811–1873) in der Paulskirche gezeichnet wurden, so handelt es sich doch um eine Zusammenstellung von Einzelporträts, im Text darunter alle vorgestellt. Die »Linke« umfasste etwa 15 Prozent der Abgeordneten, ihre Fraktionen waren benannt nach den Gaststätten, in denen sie sich trafen – »Deutscher Hof«, wo sich die legalistischen Gemäßigten zusammenfanden, und »Donnersberg«, wo sich diejenigen versammelten, die revolutionäre Aktionen nicht ausschlossen. Zu ihren gemeinsamen Zielen gehörten die Volkssouveränität, das Einkammersystem, die allgemeine, gleiche, direkte Wahl (für Männer ab 25) und eine dem Parlament verantwortliche Regierung.
Heute sind die meisten Namen vergessen, aber zu ihrer Zeit waren sie Heroen des republikanisch gesinnten Teils der Deutschen. Ihre Bilder waren begehrt und verkauften sich gut. Die bekanntesten sind heute wohl Arnold Ruge (1802–1833), erst Mitstreiter, dann Gegner von Karl Marx, und Robert Blum, der »Märtyrer der Revolution«. In Köln kennt man noch Franz Raveaux (1810–1851), auch wegen seiner Verdienste um den volkstümlichen Karneval.
Robert Blum, 1807 in Köln geboren, wurde in seiner zweiten Heimat Leipzig zum Wortführer des Volkes. Er war schon in das Vorparlament (Februar–Mai 1848) entsandt worden, wurde dort zum Vizepräsidenten gewählt, aber erst in der am 18. Mai erstmals zusammengetretenen Nationalversammlung konnte er seine rhetorische Begabung voll entfalten. Er war auch der Erste, der es verstand, eine Schar von Anhängern um sich zu versammeln. Man nahm gemeinsam die linke Seite des Parlaments ein, dessen Sitzordnung sich an derjenigen der französischen Nationalversammlung (links, Zentrum, rechts) orientierte. Blum stand aber bei all seiner Radikalität auch für Ausgleich und war gegen Gewalt. Im Oktober 1848 reiste er mit Julius Fröbel nach Wien, um den aufständischen Demokraten eine Grußbotschaft der Nationalversammlung zu überbringen. Zu einer Rückkehr kam es nicht, die habsburgischen Truppen hatten Wien eingekesselt. Und so wurde der friedliebende Blum doch noch in Kämpfe verwickelt. Die Demokraten wurden besiegt, Blum und Fröbel, die als Abgeordnete eigentlich Immunität genossen, verhaftet. Beide wurden zum Tode verurteilt. Während man Fröbel begnadigte und abschob, wurde der ungleich populärere Robert Blum am 9. November 1848 in der Brigittenau von einem Erschießungskommando hingerichtet. Das machte ihn zum Märtyrer der Revolution, es entstand ein wahrer »Blum-Kult«.
Während Blum mit dem Märtyrer- bzw. Ehrenkranz gekennzeichnet ist, wird Wilhelm Adolph von Trützschler als Lebender dargestellt. Deshalb lässt sich die Datierung des Blattes auf die Zeit zwischen der Erschießung Robert Blums am 9. November 1848 und der Hinrichtung von Trützschler am 14. August 1849 in Mannheim nach Niederschlagung der Badischen Revolution einschränken. Statt Blum steht der Gießener Zoologieprofessor Carl Vogt als Wortführer im Zentrum der Darstellung.
Irritierend wirkt der Begriff »Erster Deutscher Reichstag«. Die offizielle Bezeichnung lautete Nationalversammlung. Ihre Aufgabe war die Erarbeitung einer Verfassung, auf deren Basis dann ein Parlament zu wählen gewesen wäre. Die Verwendung »Reichstag« kann aber auch als politisches Statement gedeutet werden – die Verleger des Blattes wünschten sich ein vereintes Großdeutschland ähnlich dem alten »Deutschen Reich«.
Das Museum erwarb das Blatt für 5 Mark bei dem Händler Alfred Werther, Köln.
Mitglieder der Linken des Ersten Deutschen Reichstages in Frankfurt a. M., Zeichnung:
Wilhelm Völker, Lithografie, Druck und Verlag: E. G. Mey und Wirsing, 1848/49, H: 43,5 cm, B: 60 cm, Inv.-Nr. HM 1912/142 = G 6924 b. Ankauf von Alfred H. Werther, Köln, 1912, für 5 Mark. Foto: rba_d033412
Autor: Rita Wagner M. A.