
Selbstbewusstes Bürgertum
Der Kölner Bürgermeister Costyn von Lyskirchen und seine Ehefrau Lysbeth Hacqueney ließen sich vom Prominentenmaler Geldorp Gortzius großformatig als Stifter porträtieren. Auf der Rückseite der Tafeln sind jeweils ihre acht Familienwappen abgebildet.

Fotos: CvL: rba_d033354_02, rba_d033354_01;
EH: rba_d33172_01, rba_d033353
Außergewöhnlich an diesem Flügelpaar eines Altars aus dem späten 16. Jahrhundert, dessen Mitteltafel ebenso wenig bekannt ist wie sein ursprünglicher Aufstellungsort, sind sowohl Innen- wie Außenseiten. Die Stifter erscheinen ohne heilige Patrone, auch die Außenseiten der Flügel haben kein religiöses Motiv, sondern zeigen jeweils acht Familienwappen von Stifter und Stifterin. In geschlossenem Zustand konnten also die Nachkommen ihre Ahnenreihe sehen. War es Zufall, dass ein angehender Domherr in Köln die gleiche Anzahl adliger Vorfahren – nämlich 16 – nachweisen musste?
Die Datierung der beiden Tafeln »um 1580« ist nicht ganz sicher. 1579 kam der Maler der Tafeln, der niederländische Künstler Geldorp Gortzius, 1553 in Löwen geboren und in Antwerpen ausgebildet, nach Köln im Gefolge des Herzogs von Terranova, der Spanien bei den Friedensverhandlungen mit den abgefallenen niederländischen Provinzen vertrat. Er blieb hier und wurde der Lieblingsmaler des Kölner Patriziats und des benachbarten Landadels. Andererseits verstarb der dargestellte Stifter Constantin von Lyskirchen bereits 1581.
Constantin bzw. Costyn von Lyskirchen (1500–1581), hier in der Amtstracht eines Kölner Bürgermeisters, war der Sohn des Johann von Lyskirchen und der Catharina Hupp. Er hatte in Köln studiert, bevor er in das elterliche Geschäft eintrat. Als Hansekaufmann gehörte er der ältesten und vornehmsten Gaffel Eisenmarkt an. Seit 1544 war er in regelmäßigem Turnus Ratsherr zu Köln, seit 1554 ebenso regelmäßig Bürgermeister. Er verstarb 1581 im Amt.
Elisabeth bzw. Lysbeth Hacqueney (um 1510/ 15–1589) wurde 1540 seine Ehefrau. Das Paar hatte neun gemeinsame Kinder. Das Wappen der Hacqueneys zeigt ein weißes Pferd auf rotem Grund, was auf eine niederländische Herkunft hindeutet, bedeutet doch »hackeney« im Holländischen »Klepperpferd«. Die Familie kam im Goldschmiedegewerbe zu Vermögen. Elisabeths Onkel Nicasius (Casyn, Casio) wurde ein Bankier ersten Ranges und betrieb seine Geldgeschäfte mit benachbarten Fürsten bis hin zu Kaiser Maximilian I. Er wurde zur Ritterwürde erhoben, war kaiserlicher Rat, Hof- und Rechenmeister der königlichen Majestät sowie Generalzahlmeister für die burgundischen Truppen in den Niederlanden und nicht zuletzt Kreditgeber seines kaiserlichen Gönners. Auf Wunsch des Kaisers ließ Nicasius 1508 bis 1510 am Kölner Neumarkt einen Palastneubau in einem Übergangsstil zwischen Spätgotik und niederländischer Frührenaissance errichten.
Dieses Gebäude wurde in Köln bald als Palatium oder offiziell als »Kayserlicher Majestät Hof« bezeichnet. Hier stieg der Kaiser bei seinen offiziellen und häufigen inoffiziellen Besuchen ab. Da Casyn kinderlos blieb, bestimmte er seinen jüngeren Bruder Georg 1518 zum Erben. Auch dieser wurde zum Ritter, kaiserlichen Rat und Hofmeister ernannt. Verheiratet war er mit Sibilla van Merle, mit der er drei Töchter hatte: Catharina, Sibilla und die hier dargestellte Elisabeth, die alle in alte Kölner Familien einheirateten. Nach Georgs Tod 1524 wurde das Anwesen am Neumarkt aufgeteilt.
Der östliche Bereich wurde später von der Familie des Bürgermeisters Costyn von Lyskirchen und der Lysbeth Hacqueney bewohnt. Sie hatten zudem die berühmte Altertumssammlung von Nicasius geerbt. Der umfassend gebildete und weit gereiste Costyn hatte seine Kenntnisse auch den Verfassern des Städtebuchs »Civitatis Orbis Terrarum«, Georg Braun und Franz Hogenberg, zur Verfügung gestellt. Großen Einfluss hatte er auch auf Bau und Ausgestaltung der Rathauslaube genommen. Sein vehementes Eintreten für die niederländischen Religionsflüchtlinge machte ihn seinen Mitbürgern als Anhänger der neuen Lehre verdächtig – der Verzicht von Heiligen auf einem Altar dürfte dabei auch eine Rolle gespielt haben.
Der Erwerb der beiden Altarflügel im Jahr 1894, die einen halben Arbeiterjahreslohn kosteten, war der erste von reichsstädtischen Gemälden für das Historische Museum. Zuvor waren vergleichbare Objekte ausschließlich für das Wallraf-Richartz-Museum angekauft worden. Das Historische Museum scheint somit sechs Jahre nach seiner Gründung einen eigenständigen musealen Status erreicht zu haben.
Geldorp Gortzius zugeschrieben: Constantin von Lyskirchen und Elisabeth Hacqueney (sowie zwei Wappentafeln), um 1580, Ölgemälde auf Holz, beidseitig bemalt, 105 x 69,5 cm bzw.
105 x 69 cm (ohne Rahmen). (Zustand vor der Restaurierung) Inv.-Nrn. HM 1894/12 und HM 1894/13. Ankauf von M. Lempertz (P. Hanstein) 1894 (bis 1834 in der Sammlung Lyversberg, Koln) fur 540 Mark. Fotos: CvL: rba_d033354_02, rba_d033354_01; EH: rba_d33172_01, rba_d033353
Autor: Rita Wagner M. A.