Kubismus in Köln
Die »Kölner Progressiven« sind ein wichtiger Sammelschwerpunkt. Fast am Anfang steht Heinrich Hoerles Porträt seines Jugendfreundes Höfer von 1914.
Das Kölnische Stadtmuseum besitzt ein spannendes Konvolut von Gemälden, Handzeichnungen und Druckgrafiken aus dem Kreis und Umkreis der Kölner »Gruppe Progressiver Künstler« von den 1920er bis Anfang der 1930er Jahre. Diese Künstlergruppe fand sich nach dem dramatischen Erlebnis des Ersten Weltkriegs und der gescheiterten Revolution im Deutschland von 1918 Mitte der 1920er Jahre zusammen. Gemeinsam war den jungen Künstlern ihr Engagement im Kampf gegen Krieg und Faschismus, Kapitalismus und Ausbeutung sowie Ablehnung der bürgerlichen Lebensformen. Politisches Arbeiten mit künstlerischem Schaffen zu vereinen, war das Credo der Kölner Gruppe. Sie entwickelte eine figurativ-konstruktivistische Bildsprache mit gegenständlichen Bezügen.
Heinrich Hoerle (1895–1936) gehörte mit Franz Wilhelm Seiwert, Gerd Arntz, Stanislaw Kubicki und Otto Freundlich zum engsten Kreis der »Kölner Progressiven«, die sich 1924 im Kölner Café Monopol zusammenfanden.
Das Gemälde von Hoerle aus dem Jahr 1914 gehört wohl zu den frühesten des Künstlers. Er setzt sich stilistisch mit dem Kubismus auseinander, den er vermutlich auf der 1912 in Köln gezeigten Sonderbund-Ausstellung gesehen hatte. Heinrich Hoerle war Autodidakt, besuchte nur kurz, 1912/13, für ein Semester die Kölner Kunstgewerbeschule. 1915/16 bezeichnete er sich selbst auf einer Federzeichnung als »Heinz Hoerle Kubist«.
Das Porträt zeigt einen jungen Mann als Halbfigur auf einem Sessel sitzend. Dunkler Ocker ist der Grundton des Bildes, alle Farben sind sehr reduziert auf das immer durchscheinende, ungrundierte Sackleinen aufgebracht. Gerade im Bereich der Anzugsjacke thematisiert Hoerle die kubistische Auflösung der Formen. Dunkle Dreiecke setzen die Faltenwürfe des Stoffes um. Hoerle zeigt eine sehr expressive Form des Kubismus, die ganz auf die Steigerung des Ausdrucks zielt.
Der dargestellte elegante junge Mann ist Heinrich Höfer, ein Jugendfreund Hoerles. Höfers Elternhaus, an der Subbelrather Straße in Köln-Ehrenfeld, war bis 1916 ein »Gravitationszentrum für eine Clique Jugendlicher«, das den in der Nähe wohnenden Hoerle und dessen Jugendliebe Milly Theophil anzog.
Heinrich Hoerle erlebte nach dieser Zeit von 1915 bis 1918 den Weltkrieg als Soldat. Dann schloss er sich 1919/20 der dadaistischen Künstlerbewegung um Max Ernst an, später folgte die Teilnahme an der Gruppe »stupid«. Mit den »Kölner Progessiven« setzte er bis 1933 wichtige kunstpolitische Akzente. Hoerle erlag 1936, mit 41 Jahren, einem langjährigen Kehlkopftuberkuloseleiden.
Heinrich Hoerle: Heinrich Höfer, 1914, signiert u. datiert links oben: h 1914, Sackleinen, H: 75 cm, B: 63,5 cm, Inv.-Nr. KSM 1987/123. Foto: rba_KSM1987_123
Autor: Dr. Michael Euler-Schmidt