Köln, wie es niemals war

Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges entdeckten niederländische Künstler das Rheinland und hier besonders Köln. Auf vielen Gemälden z. B. der Berckheydes finden sich besonders die romanischen Kirchen, mitunter auch in bunt gemischter Form, wieder. Die fast ländlichen Idyllen vermitteln einen emotionalen Eindruck des Lebens in der Reichsstadt.


Man sieht ein Gemälde von St. Aposteln aus dem Jahr 1670.
Gerrit A. Berckheyde: Kölner Stadtansicht mit St. Aposteln und Neumarkt, 1670/75. Foto: rba_d033356

Zu den weniger bekannten Seitenwegen der niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts, des sogenannten »Goldenen Zeitalters«, zählt die Gattung der Stadtansicht. Noch weniger dürfte indes bekannt sein, dass die klassische Periode dieser Fachmalerei ab etwa 1650 eine bedeutsame kölnische Facette kennt: Mehrere Hauptmeister der gemalten Stadtansicht – darunter Jan van der Heyden (1637–1712) und Gerrit Adriaens- zoon Berckheyde (1638–1698) – widmeten sich nicht nur der Darstellung der niederländischen Städte, sondern nahmen auch Ansichten deutscher Städte in ihr Repertoire auf. Doch während Städte wie Düsseldorf, Mainz oder Heidelberg nur gelegentlich ins Bild gesetzt wurden, finden sich Ansichten kölnischer Sehenswürdigkeiten in beträchtlicher Vielzahl und Variation.

Im Mittelpunkt des Interesses der Maler standen dabei stets die romanischen Kirchen der Stadt. Nur selten werden andere Baudenkmäler, wie etwa die unvollendete Kathedrale oder das Fischkaufhaus, gezeigt. Auch das hier zu besprechende Gemälde des Haarlemer Meisters Gerrit Adriaenszoon Berckheyde rückt einen der großen romanischen Kirchenbauten ins Zentrum des Bildfelds – die Stiftskirche St. Aposteln. St. Aposteln muss die Lieblingskirche Berckheydes in Köln gewesen sein – jedenfalls hat er diese häufiger als jede andere zum Bildgegenstand gewählt. Seine bevorzugte Perspektive von Nordwesten auf den mächtigen Dreikonchenchor, die alten Pfarrhallenhäuser und den sich im Hintergrund öffnenden, baumbestandenen Neumarkt findet man nicht nur auf diesem einen Gemälde, sondern auf mindestens einem halben Dutzend ähnlicher, wenngleich keineswegs identischer Gemälde. Regelmäßig verändert der Maler etwa die Staffage, das heißt das die Stadtkulisse belebende Volk. Bei Berckheyde handelt es sich stets um Landleute, die man eher in der italienischen Campagna als in der Kölner Innenstadt vermuten würde. Doch finden sich auf den jeweiligen Werken mit der Apostelnkirche im Vordergrund regelmäßig auch beträchtlich veränderte Hintergrundansichten. Einmal wird die Kirche St. Jakob am Waidmarkt zum Blickpunkt erkoren, dann wieder macht man an gleicher Stelle die Abteikirche St. Pantaleon aus. Und mehrfach schiebt sich zudem vorn links noch ein Teil der Vorhalle von St. Maria im Kapitol ins Bild!

Dieser Befund macht deutlich, dass es dem Maler keineswegs um eine topographisch exakte Stadtaufnahme ging. Dementsprechend kann der Neumarkt eine sehr unterschiedliche gemalte Bebauung erfahren. Berckheyde scheint seine ab den frühen 1670er Jahren ausgeführten Köln-Ansichten auf Grundlage von vor Ort entstandenen Zeichnungen im Wortsinne »komponiert«, also zusammengefügt zu haben. Wie schon der Künstlerbiograph Arnold Houbraken 1718 berichtet, war Gerrit gemeinsam mit seinem älteren Bruder Job bereits in den frühen 1650er-Jahren in Deutschland den Rhein hinaufgereist und damals auch einige Zeit in Köln geblieben.

Man hat das in den phantasievollen Ansichten Berckheydes und seiner Zeitgenossen anzutreffende Bild Kölns treffend als »distilled version of the city« (J. Bikker), also als verdichtete Fassung der Stadt bezeichnet. Und in der Tat mag es das Bestreben der niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts gewesen sein, die beiden wesentlichen Aspekte der Stadt Köln in einem Bild zu vereinen – ihre Altehrwürdigkeit seit der Antike und ihre Prägung durch den katholischen Glauben. Beide Momente finden sich bestimmend auch in den Reiseberichten und Journalen der Zeit, die Köln als ein schon damals ausgewiesenes touristisches Reiseziel mit klarer Profilbildung erkennen lassen – als das »deutsche Rom«.

Das Gemälde wurde 1903 für 2.700 Mark bei Theodor Holz in Mülheim am Rhein erworben. Dieser besaß in der Rheinstraße eine Kolonialwaren- und Delikatessenhandlung, eine Kaffeebrennerei – und eine Gemäldehandlung.


Gerrit Adriaensz. Berckheyde: Kölner Stadtansicht mit St. Aposteln und Neumarkt, 1670/75, bez. in der Mitte unten: G. Berchheyde. Öl auf Holz, H: 37,2 cm, B: 49,5 cm, Inv.-Nr. HM 1903/41. Ankauf von Theodor Holz, Mülheim a. Rh., 1903, für 2.700 Mark. Foto: rba_d033356

Autor: Dr. Marcus Dekiert