
Der Stolz der alten 48er
Das Bild zeigt Wilhelm Berntgen als Mitglied der Kölner Bürgerwehr von 1848. Sie wurde nach dem Scheitern der Revolution aufgelöst. Zur Erinnerung behielt der hauptberufliche Brauer seine Ausrüstung und ließ sich 1870 damit porträtieren.

Ein wohlbeleibter Bürger präsentiert sich in voller Montur mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonett. Über dem schwarzen Rock mit grünen Streifen trägt er einen braunen Mantel, am Gürtel baumelt der Säbel. Halb militärisch, halb zivil? Eine merkwürdige Uniform. Den entscheidenden Hinweis liefert die schwarz-rot-goldene Troddel am Hut, den er lässig in der Hand hält. Das Bild zeigt Wilhelm Berntgen als Mitglied der Kölner Bürgerwehr der Revolution von 1848.
Diese Bürgerwehr entsprach mit 20 Kompanien und über 6.000 Mann der Stärke des hier stationierten preußischen Militärs. Mittel für reguläre Uniformen fehlten. Man behalf sich mit schwarz-rotgoldenen »Schärpchen, Portepeechen, Schnürchen und Tröttelchen«, wie Beobachter spotteten. Paraden und Feste schienen – in Köln kaum erstaunlich – wichtiger als politische Debatten und militärischer Drill. Jacques Offenbach komponierte sogar ein Lied für die Kölner Bürgerwehr.
Dabei waren die politischen Gegensätze groß. Die einen wollten die Ordnung aufrechterhalten – die anderen mit der Volksbewaffnung verhindern, dass die erkämpften Freiheiten wieder rückgängig gemacht würden, auch Friedrich Engels diente in der Kölner Bürgerwehr.
Bürger Berntgen war schon vor der Revolution Brauer; das Adressbuch nennt 1846 in der Hohe Straße 61 seine Bierbrauerei. 1848 diente er als Zugführer der 13. Kompanie der Bürgerwehr, deren Bezirk südlich des Rathausviertels lag. In dieser Kompanie traten die Gegensätze zwischen radikalen Demokraten und Besitzbürgern besonders stark hervor. Tätliche Angriffe, Misstrauensanträge gegen den Kommandanten und Austritte führten zur Spaltung der Truppe. Berntgen gehörte wohl eher dem bürgerlichen Lager an. Vielleicht war er am 25. September 1848 daran beteiligt, rund um die Barrikaden auf dem Alter Markt einen Polizeioffizier vor der Lynchjustiz der revoltierenden Menge zu retten. Das war das Ende der Kölner Revolution. Das Kriegsrecht wurde verhängt. Der Kommandant der Festung Köln ließ die Bürgerwehr am folgenden Tag auflösen und befahl die Rückgabe der Waffen. Die meisten folgten dieser Anweisung ohne Widerstand.
Nicht jedoch Berntgen. Wie manch anderer behielt er Gewehr, Säbel und Uniformteile. Nach der Revolution machte er Karriere, 1857 übernahm er in Köln das spätere Brauhaus Franz Degraa. Der erfolgreiche Bürger posierte offenbar gern mit seinen Erinnerungsstücken an die »große Zeit«. Jedenfalls porträtierte ihn der unbekannte Künstler im Auftrag seiner Familie in der geschätzten Pose. Das Gemälde entstand 1870, sechs Jahre nach Berntgens Tod – vielleicht nach einer Fotografie.
Lange wurde das Bildnis Wilhelm Kleinenbroich zugeschrieben, dem Maler, Mitstreiter und Chronist der Revolution von 1848. Dagegen sprechen jedoch stilistische Gründe. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass sich die Erben Berntgens ein Jahr nach Kleinenbroichs Tod nicht an diesen in Köln beliebten Maler erinnerten, als sie 1896 das Gemälde (Wert: 75 Mark) dem Museum schenkten. Vielleicht muss man den Künstler im Umkreis der Schüler von Simon Meister suchen.
1888 zählten Relikte der Revolution – Mütze, Schärpen, Tambourmajorstock und Trommel – zu den ersten Objekten, die aus dem Historischen Archiv in das Museum überwiesen wurden. Die alten Kämpfer hatten sie in Ehren gehalten. 1905 wurde auch die von Michael Welter entworfene Fahne von Berntgens 13. Bürgerwehr-Kompanie erworben, mit Teilen des im Kölner Auktionshaus Lempertz versteigerten Nachlasses Welters. Nun war die Kölner Revolution endgültig im Museum angekommen.
Wilhelm Berntgen als Angehöriger der Kölner Bürgerwehr, Kölnisch, 1870, Aufschrift rechts oben: Wilhelm Berntgen gemalt 1870, Ol auf Leinwand, H: 131,5 cm, B: 98,5 cm, Inv.-Nr. HM 1896/110. Geschenk der Erben Berntgen 1896. Foto: rba_d033458
Autor: Dr. Mario Kramp