Auf dem Bild ist Dr. Matthias Hamann, der neue Leiter des Kölnischen Stadtmuseums zu sehen. Er steht vor dem Gebäude des Museums und lächelt in die Kamera.

„Sie ist nicht elegant, aber ich bin dieser Stadt verfallen.“

Direktor Dr. Matthias Hamann über Köln, Gefühle, Pläne und Hoffnungen

Text: Michael Bischoff

Er ist der Neue und verspricht jede Menge Power. Seit dem 1. Januar dieses Jahres leitet Dr. Matthias Hamann (56) offiziell das Kölnische Stadtmuseum und blickt mit seinem engagierten Team voller Spannung auf die Eröffnung am 22. März 2024 im früheren Modehaus Sauer. Bis dahin gibt’s noch sehr viel zu tun. Für uns hat er sich ein bisschen Zeit genommen und spricht über Gefühle, Pläne und Hoffnungen.

Wie erlebt ein Unterfranke das quirlige Köln? Seit wann arbeitet er hier am Rhein? Was mag er? Was irritiert ihn? Was hat er mit seinem Team im Stadtmuseum alles vor? Und warum will er hier nie wieder weg? Das alles erzählt er Birgitt Schippers in unserem neuen Podcast. Um es vorweg zu nehmen: Er ist längst ein begeisterter Kölner geworden. Doch der Reihe nach: Wer ist eigentlich der neue Herr der Kölner Geschichte?

Matthias Hamann stammt aus Ochsenfurt. Die Kleinstadt liegt im unterfränkischen Landkreis Würzburg. Nach dem Abitur studiert Hamann Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Germanistik, an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Universität Bologna. Es folgen Forschungsaufenthalte in Paris und Burgund. Nach seiner Promotion 1998 arbeitet Hamann zunächst als freier Kulturmanager und im Kunsthandel. 1999 wechselt er an das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, wo er von 2003 bis 2006 zum Leiter der Abteilung Marketing und Kommunikation sowie zum persönlichen Referenten des Generaldirektors aufsteigt.

SCHALTER IM KOPF UMGELEGT

Im April 2007 kommt Hamann nach Köln und leitet hier 16 Jahre den Museumsdienst. Der Start war gar nicht so einfach, denn er erlebte eine völlig neue Kultur des Miteinanders. „Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, bis ich kapiert hatte, was ich hier anders machen muss“, verrät er schmunzelnd und ergänzt: „Ich habe im Kopf einen Schalter umgelegt, und dann hat’s funktioniert.“

Wie bitte? Der bedächtige Franke muss erst lernen, wie die Kölner*innen ticken.  „Wenn man beispielsweise abends bei einem Empfang mit jemandem ein gutes Gespräch hat, heißt es nicht, dass er sich am nächsten Tag daran erinnert. Also muss man das, was man vereinbart hat, noch einmal wiederholen. Sonst bringt das nichts. Und genau das ist ein Teil des Spiels.“

ÜBERBORDENDE LIEBE

Was Hamann ebenfalls völlig überrascht, ist der kölsche Umgang mit Zeit: „Bei Meetings sprechen hier alle doppelt lange. Das ist ein deutlicher Unterschied zu Franken.“.

Doch er mag die Stadt trotzdem. „Ich bin ihr verfallen“, gesteht er. Das liegt nicht nur am leckeren Kölsch, den im Gegensatz zu seiner Heimat kleinen Gläsern und der kölschen Kneipenkultur. Vor allem die Rheinländer*innen haben den so ruhig und bedächtig wirkenden Franken in ihren Bann gezogen.

Was ihn als begeisterter Imi trotzdem immer wieder irritiert? „Das ist die Köln-Besoffenheit. Und das ist so eine Hassliebe zur eigenen Stadt.“ Es wird viel geschimpft, gemeckert und dann wieder miteinander geschwärmt. „Manchmal ist diese Liebe aber auch überbordend, wenn es um den FC oder den Karneval geht.“

BEGEISTERUNG ÜBER SCHÄTZE

Hamann liebt die – wie er es sagt – „Prallheit“ von Köln. „Eigentlich ist es ja eine graue Stadt. Doch wenn man genauer hinschaut, steckt sie voller Leben. Sie ist nicht wohlanständig, sie ist nicht elegant und an vielen Ecken auch manchmal eine belanglose Stadt. Doch wenn man wieder genauer hinguckt, entdeckt man die Schätze.“

Das begeistert ihn. Das bewegt ihn. Am liebsten streift Hamann zu Fuß mit offenem, aufmerksamem Blick durch die Stadt. Sogar vom Job nach seinem Zuhause in Braunsfeld. Dabei bevorzugt er die Parks und Nebenstraßen. Das Auto benutzt er möglichst wenig: „Man kann sich in dieser Stadt ohnehin nicht schnell bewegen.“

Was kann ihn außer verstauten Straßen in Köln noch wütend machen? „Das ist diese Fokussierung auf sich selbst. Das kann dazu führen, dass man in der Mittelmäßigkeit stecken bleibt.“ Wie meint er das? „Die Kölner*innen haben eine große Geschichte, machen sich diese allerdings selten bewusst.“ Im Klartext: „Köln macht sich oft kleiner, als es sein müsste. Je weiter man sich von Köln entfernt, umso größer wird es.“ Zum Beispiel? „Wenn Sie einen Menschen in Japan fragen, findet er Köln großartig. Wenn Sie jemanden in Hürth fragen, ist das nicht so.“ Und Hamann legt nach: „Ein fundiertes Selbstbewusstsein wäre gut – aber nicht Selbstbesoffenheit!“

GESCHICHTE(N) MIT GEFÜHL

Der Blick von außen auf die Stadt und ihre Geschichte tut also richtig gut. Verschiedene Blickwinkel sind auch in der neuen Dauerausstellung wichtig. Es geht in der völlig neu konzipierten Ausstellung dabei unter anderem um Liebe, Wut, Angst, Lust, Glauben oder Hoffnung. Diese Jeföhle sorgen für neue Einblicke bei den historischen Streifzügen durch 2000 aufregende Jahre.

Hamann weiß, das ist alles nicht ganz einfach. Was steht für Angst? „Bombardierungen, Seuchen, Attentate. Hier kommen auch die Schattenseiten zu Wort. Man kann Köln nicht schönfärben.“ Und weiter: „Die Kölner waren auch oft wütend: Ob bei Aufständen oder gegen ihren eigenen Erzbischof. Wut äußert sich dabei oft nicht kriegerisch, sondern verbal. Der Wortwitz der kölschen Sprache ist eine sehr gute Waffe.“

STORY-TELLING AUCH ÜBERS HANDY

Matthias Hamann ist gespannt, wie das neue Konzept seines Teams ankommt. Das hat jahrelang daran gearbeitet und verspricht viele Überraschungen. Hamann verrät vorab: „Das Stadtmodell aus dem frühen 16. Jahrhundert steht im Zentrum der Schau. Wir überhöhen es digital.“

Auf dem Bild ist eine Visualisierung der neuen Ausstellung zu sehen. Im Vordergrund sind drei Personen zu erkennen, welche sich die Ausstellung anschauen. Eine Person sitzt im Rollstuhl.
Visualisierung des Raums der Stadtgeschichte mit dem Stadtmodell.

Das bedeutet: „Wenn man mit seinem Handy über bestimmte Häuser oder Abschnitte geht, erfahren die Besucher*innen, was alles dahinter steckt. Zum Beispiel: Wieviel und welche Art von Müll ist früher angefallen? Oder wieviel Wasser hat man früher verbraucht? Übrigens ist das heute deutlich weniger als in der römischen Zeit.“

Da es in Zukunft die Pop-Up-Bar für Veranstaltungen nicht mehr geben wird, bleibt im Museum dafür jetzt im Foyer ein „open space“. Dort kann sich der neue Hausherr kleine Abendveranstaltungen vorstellen, wie zum Beispiel spezielle Buch-Präsentationen aus dem eigenen Fundus. „Wir haben eine herausragende Bibliothek, die außer Wissenschaftler*innen niemand kennt.“

Hamann plant auch Kooperationen mit anderen Museen und Häusern der Stadt. Er will noch viel mehr vernetzen und die Kräfte bündeln. Für sein Haus sagt er: „Wir sind arm, doch wir sind sexy“. Deswegen glaubt er auch an den Erfolg! „Die Kölner*innen lieben ihr Stadtmuseum.“ Sein größter Wunsch für alle Besucher*innen: „Dass der Reichtum, den Köln über viele Jahrhunderte hat, stärker im Kopf bleibt, und nicht reduziert wird auf die Feierkultur oder das Heilige Köln des Mittelalters.“